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Zahlkörper über wurzelt, wurzelt das Reziprozitätsgesetz in in der Theorie der relativ-quadratischen Zahlkörper über . In dieser körpertheoretischen Art der Darstellung und Deutung des Reziprozitätsgesetzes liegt hier der entscheidende Fortschritt Hilberts, nicht in dem Resultat, das ja schon auf Gauss und Dirichlet zurückgeht.

Des weiteren wendet sich Hilbert dem Reziprozitätsgesetz der -ten Potenzreste für einen höheren Primzahlexponenten zu, das als Grundkörper naturgemäß den -ten Kreiskörper (Körper der -ten Einheitswurzeln) erfordert. Hilbert beginnt mit dem Studium des allgemeinen -ten Kreiskörpers für sich. Er entwickelt in 6 einen neuen, auf seine Theorie des Galoisschen Körpers gestützten Beweis des zuerst von Kronecker bewiesenen Fundamentalsatzes, daß jeder Abelsche Zahlkörper Teilkörper eines solchen Kreiskörpers ist.

Für die Behandlung des Reziprozitätsgesetzes der -ten Potenzreste hatte Hilbert an die Arbeiten Kummers anzuknüpfen‚ in denen die körpertheoretische Verwurzelung jenes Gesetzes in der Theorie der sog. Kummerschen Körper bereits hervortrat. Hilbert gibt hier neue, von den umständlichen und wenig durchsichtigen Rechnungen Kummers freie Beweise. Auch setzt er das Reziprozitätsgesetz hier erstmalig in die elegante Form der Produktformel für das nach ihm benannte Normenrestsymbol. All dies geschieht in dem umfangreichen fünften und letzten Teil des sog. Zahlberichts 7.

In diesem Bericht hat Hilbert alles zur damaligen Zeit in der Theorie der algebraischen Zahlkörper erreichte Wissen gesammelt und zu einer einheitlichen, von großen Gesichtspunkten getragenen Theorie zusammengestellt. Die Resultate seines bisherigen Wirkens auf diesem Gebiete (2–6) sind darin verarbeitet, und überdies sind neben den vorhandenen Ergebnissen anderer Forscher eine große Menge eigener Erkenntnisse hier erstmalig ausgesprochen und gleich in den großen Zusammenhang eingeordnet. Das Werk ist noch heute der gegebene Ausgangspunkt für jeden, der in die Geheimnisse der Theorie der algebraischen Zahlkörper eindringen und der modernen zahlentheoretischen Forschung auf ihre Höhen folgen will.

Wegen dieser grundlegenden Bedeutung des Zahlberichts als Handbuch für das Studium wird er vielfach als der Gipfel der Hilbertschen Leistung auf zahlentheoretischem Gebiet angesehen. Es muß hier klar gesagt werden, daß das keineswegs den Tatsachen entspricht. Von der neuartigen, in 4 entwickelten Theorie des Galoisschen Zahlkörpers abgesehen, handelt es sich ja im Zahlbericht, wie in den in ihm verarbeiteten früheren Arbeiten im wesentlichen um die Durchdringung älterer Resultate mit neuen, eleganten, weittragenden Methoden. Hilberts eigentliche neuen Resultate dagegen setzen jetzt erst ein; sie erwachsen auf dem Boden, den der Zahlbericht geebnet hat, und führen von dort in neue ungeahnte Höhen.

Empfohlene Zitierweise:
David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/546&oldid=- (Version vom 18.8.2016)