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zurück. Alle ihre Angaben über Thatsachen[1] stimmen mit meiner Auffassung sehr gut überein. Aber Gutes ist mit Schlimmem gemischt, weil zwei Grundanschauungen die Verfasserin beherrschen. Einmal hängt sie der allgemeinen Frauenbewegung an, die sich das Ziel gesetzt habe, „alle Frauen durch selbständige Arbeit aus ihrer wirthschaftlichen Versklavung zu befreien“, d. h. von dem bösen Manne unabhängig zu machen, zum Anderen ist sie eine eifrige Socialdemokratin und möchte nichts, als der Noth des arbeitenden Volkes ein Ende machen. Sie sieht in der „Frauenbewegung“ ein Erzeugniss der Noth und will sie doch begeistert fördern, sie beurtheilt das Wirtschaftliche gut und kann sich doch von der Feministenthorheit nicht losmachen. Soweit die Verfasserin als Feministin spricht und dem Weibe dieselben Fähigkeiten wie dem Manne zuschreibt, kommt wenig Lobenswerthes zum Vorscheine, ja zuweilen der reine Unsinn (auf S. 191 steht, die Schwachsinnigen hätten das grösste Stirnhirn!). Sie stimmt das alte Thorenlied an, man wisse noch gar nicht, was alles in dem kleinen Weiberkopfe stecke, u. s. f. Kurios ist, dass die Verfasserin zugiebt, dass bisher das weibliche Genie gefehlt habe, zugleich aber erklärt, in der Socialwissenschaft werde es erscheinen (wobei die Bescheidenheit verbietet, auf das eigene Buch hinzuweisen). Würde die Verfasserin den Feministenhochmuth aufgeben und die physiologische Wahrheit anerkennen, so würde ihr Buch gewinnen, und das, was darin die Hauptsache ist, bliebe unangetastet. Die Feministen werden von der Sucht nach Emancipation geführt, sie wollen Freiheit um jeden Preis und gelangen zuletzt zum Anarchismus. Dieser aber hat mit dem Socialismus, der Abhilfe gegen die wirthschaftliche Noth durch das Gesetz, Gerechtigkeit, nicht blosse Freiheit will, nichts zu schaffen. Wenn die Socialdemokraten sich mit der feministischen Unwahrheit einlassen, so schaden sie ihrer Sache nur. Gleichberechtigung im vernünftigen Sinne kann nur bedeuten, dass Keinem Unrecht geschehe, dass Leistung und Gegenleistung einander entsprechen.


  1. Gegen die Verwerthung der Zahlen sind Bedenken geäussert worden, aber das geht mich nicht an.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)