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sehe, so man St. Agathä-Zettel nennet, was wollen diese sagen?«

Doctor: »Du denkest ein mahl wol an alles, aber das freuet mich überauss sehr, dann vilen dessen Ursach unbewusst. Nemlich er kommt daher, als die heilige Agatha, nachdem sie auf den heissen Kohlen herumgewelzet worden in dem Kerker ihren unbefleckten Geist aufgegeben, wurde unter dem haupt St. Agathä – freilich durch Gott von einem Engel dahin gebracht – eine kleine Tafel gefunden, worauff dise Wort stunden, welche St. Agathä zu einer Grabschrift dienen sollten: mentem sanctam spontaneam, Deo honorem, et patriae liberationem.« – »Dardurch wird also Gott gebeten, Gott woll allen Behausungen Heil und Segen widerfaren lassen, damit sie vor Feuer und Brand behütet werden, zu welchem Zihl und End auch die Brödlein geweihet werden.«

Asyle. Rippel S. 454: Was haben die Kirchen für privilegia? Doctor: »Dises unter andern sonderlich, dass sie seind Asyla, Zuflucht oder Freyhäuser, dass wann nemblich ein armer Sünder in eine Kirch fliehet, kein Gerichtsdiener ihn darauss darf zur Straff oder zum Todt hinwegnemmen.«

A. Birlinger.     


Schwarzwaldsagen.
1 Der Werwolf in Thummlingen[1].
Zur Mythologie 1047–1050, 3. Ausgabe 1854.

Mein Urgrosvater war von 1688–1700 Pfarrer des Dorfes Thummlingen im Oberamte Dornstädt, auf dem wirtenb. Schwarzwalde, und erzälte seinen Nachkommen oft folgende als Beitrag zur Geschichte des lange fortdauernden Wahns der Werwölfe merkwürdige Geschichte, die sich in seiner Pfarre selbst zutrug und deren Wahrheit er auch deswegen verbürgen konnte, ob er gleich das Factum mit ganz andern Augen als seine Bauern ansahe.

Aus dem Pferche des Orts wurde mehreremale eines der fettesten Schafe von einem Wolfe entwendet, der in der Abenddämmerung einbrach, den Schäfer nicht scheute und – was das auffallendste war, vom Dorfe herkam und mit seinem Raube wieder zum Dorfe eilte.

Der erschrokene Schäfer zeigte die Sache an, aber da war Keiner, der über den gleich allgemein regen Glauben an Wolfsmenschen erhaben, auf eine vernünftige Begegnung der Sache gedacht hätte, als der herrschaftliche Jäger, der im Dorfe seinen Sitz hatte.


  1. Uralter schon im 8. Jhd. vorkommender Ort bei dem ebenso alten Dornstetten, Ob. A. Freudenstadt.
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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_154.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)