Seite:De Arndt Mährchen 1 004.jpg

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aber und Strümpfe hatten sie nicht an, denn das hätte zu viel gekostet, sondern gingen baarfuß. Die Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kämmte sie Morgens früh und Abends spät, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie lesen und singen, und erzog sie in aller Freundlichkeit und Gottesfurcht. Wann sie auf dem Felde was zu thun hatte oder weit ausgehen mußte, stellte sie die älteste, welche Barbara hieß, über die andern; diese mußte auf sie sehen, ihnen was erzählen, auch wohl etwas vorlesen. Nun begab es sich einmal, daß ein hoher Festtag war – ich glaube, es war der Charfreitag – da ging die Bauerfrau mit ihrem Manne zur Kirche, und sagte den Kindern, sie sollten hübsch artig seyn, der Barbara aber und den nächsten älteren gab sie ein paar Lieder auf aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten. So ging sie weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig, die älteren nahmen die Bücher und lasen, und die kleinsten saßen still auf dem Boden und spielten. Als sie so saßen, da erblickte das eine Kind etwas hinter dem Ofen, und rief: O seht! seht! was ist das für ein schöner und weisser Beutel! Es war aber ein Beutel mit Nüssen und Aepfeln, den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_004.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)