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schon die meisten Thiere Vögel Blumen und Bäume und ging mit ihnen so unschuldig und vertraut und sicher um, als hätte sie schon ein paar hundert Jahre mit ihnen gelebt. Aber fast ein noch größeres Wohlgefallen als an diesen hatte sie an bunten Steinen und Gewürmen, und konnte sich gewaltig freuen, wenn sie ein buntes Steinchen fand, und mit Marienwürmchen Goldkäfern Gottspferdchen Schmetterlingen und Laubfröschen konnte sie oft Tagelang spielen, ohne daß ihr die Zeit dabei lang ward. Sie ging nun ins elfte Jahr und mußte ihrer Mutter Kühe im Walde hüten. Da sammelte sie sich immer eine Menge buntes Geflügel und Gestein, und wann sie des Abends heimkam, hatte sie die Taschen gewöhnlich voll Steine und Schächtelchen und Binsenkörbchen, die sie sich selbst flocht, voll Käfer Schmetterlinge und Laubfrösche, mit welchen sie und die andern Kinder dann spielten. Wegen dieser Liebe zu den bunten Steinchen und Käferchen wühlte sie viel in der Erde, wälzte Steine und Holzblöcke um, riß die Rinde von den Bäumen, und die Leute, die das sahen, und die eigenen Aeltern nannten die kleine Eva deswegen im Scherz Erdwurm. Aus diesem Scherz ward aber ein solcher Ernst, daß sie künftig nicht mehr Eva sondern Erdwurm bei allen Leuten hieß.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_339.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)