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einem Baum nieder und schlief ein, und schlief da bis an den hellen Morgen. Das arme Kind meinte, sie sey nahe bei ihres Vaters Hause, aber sie war in der dreistündigen Fahrt über fünfzig Meilen weit durch die Luft gereist. Schlafe wohl und träume wohl, liebes Erdwürmchen!

Als Erdwürmchen erwachte, stand die Sonne schon hell am Himmel. Sie sah sich mit großen Augen um, denn das von gestern war ihr alles wie ein Traum. Sie hatte auch die ganze Nacht nichts anders geträumt als von der sausenden Reise, wo sie, wie ihr däuchte, dreimal aus dem Wagen stürzte und immer wieder hereingebracht ward, von brennenden Häusern, von Krieg und Geschrei und von allerlei Noth und Angst. Mit diesen Gedanken wachte sie auf und sah nun wohl, daß sie in einer unbekannten Gegend war und fern von ihres Vaters Hause. Denn sie erblickte rings umher himmelhohe Berge, deren oberste Spitzen mit Schnee bedeckt waren. Und als sie das sah, weinte sie bitterlich und brach in die Worte aus: O du erzbösewichtisches Goldkäferchen! hier komme ich nimmer wieder heraus, ich sehe Vater und Mutter nimmer wieder, denn wie soll ich über den hohen Schnee kommen? Mehr konnte sie vor Traurigkeit nicht sagen; doch ging sie gedankenlos fort. Sie

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_350.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)