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dem allerlieblichsten Gesichte, dessen Mund wie eine aufblühende Rose schimmert und dessen himmelblaue Augen leuchten wie ein paar helle Frühlingsquellen, die der Mond bescheint. Ihr Hals ist weiß wie Elfenbein, worum lange blonde Locken fließen, und den schönen Leib bedeckt ein leichtes grünes Gewand, das weich um Busen und Hüften wallet, wie das zarte Frühlingsgras, vom Winde bewegt, um einen Blumenhügel. So sieht man sie in den Seeen und Strömen schwimmen und in den Wellen spielen und plätschern, wie ein Wasservögelein hin und her spielet, und gleich einem leichten Blitz dahin schiessen. So haben viele sie gesehen im Mondschein und auch bei Tage, unter einer dunkeln Eiche oder Buche oder auch unter Birken und Erlen am See gelagert, wo sie Kränze aus Blumen windet, Ringelein von ihren schönen Locken schlingt und wieder auflöset oder auch ein süßes Lied singt, wozu sie auf einer Muschel oder Schalmei bläst. Aber ihr süßestes Lied singt sie in der Mitternacht und da mag sich in Acht nehmen, wer zu viel Feuer im Busen hat. Wenn sie sich dann am Ufer der Seeen und Ströme unter den grünen Bäumen hinsetzt und singt und der Stromgeiger aus der Tiefe auftauchet und voll Lust zu ihrem Gesange die Harfe schlägt, dann hört jeder, der ihr zuhorcht,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_436.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)