Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen | |
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man, glaube ich, wenn man wartet – sitzt und wartet. Warten macht einsam.“
„Sehr richtig“, schaltete ich ein – was stillos war.
„So bei uns zu Hause“, fuhr Claudia fort. „Wir waren fünf Schwestern, immer nur ein Jahr zwischen uns – wir waren immer zusammen. Wir kamen wenig hinaus – wir gingen auch ungern ins Dorf. Unsere Kleider saßen so schlecht. Ich glaube, mein Konfirmationskleid war das erste, das nicht zwei Schwestern vor mir getragen hatten, ich war so klein. Es war kein Geld da und wir mußten sehr sparen.“ Sie lachte mit dem harten Unterton des Lachens halberwachsener Mädchen.
„O!“ sagte ich nur, was ich jetzt bedaure.
„Ein Schusterjunge sagte, wenn wir vorübergingen – ach, die fünf Modejournale. – Beliebt waren wir nicht. Auch zu Hause, wenn was passierte, waren immer die fünf Komteßchen schuld.“
Ich hätte etwas sagen sollen, ich sagte jedoch nichts – ich liebte Claudia nur sehr stark in diesem Augenblicke.
„So trieben wir uns in dem großen Garten umher“,
Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)