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warme Beschaffenheit, auch die Dichtigkeit und Lockerheit sind von diesen Grundeigenschaften bedingt; die Kälte ist die Ursache der Dichtigkeit, denn durch sie werden die materiellen Theilchen einander genähert, die Lockerheit ist verursacht durch die Wärme. Aber alle anderen Eigenschaften stehen in einer bestimmten Beziehung zu den vier Grundeigenschaften; denn die Farbe, der Geruch, der Geschmack, der Glanz, die Härte der Körper erleiden durch Hinzuführung oder Beraubung von Feuchtigkeit, Hitze, Trockenheit oder Kälte eine Veränderung.

Es ist klar, sagt Aristoteles, alle sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der tastbaren Körper sind abhängig von diesen vier Grundeigenschaften; denn mit einer Aenderung in diesen Grundeigenschaften wechseln auch alle übrigen; es ist einleuchtend, dass diese anderen von den vier Grundeigenschaften bedingt sind; es giebt vier Elementareigenschaften. Die Richtigkeit dieser Abstractionen, so weit sie die Eigenschaften der Körper umfassen, welche durch einfache Wahrnehmung ermittelbar sind, ist nicht zu bestreiten. Der Unterschied unserer jetzigen und der damaligen Ansichten liegt darin, dass wir den flüssigen, festen und luftförmigen Zustand, so wie die Temperatur durch zwei anstatt durch vier einander entgegengesetzte Ursachen bedingt betrachten. Noch heute sind wir der Ansicht, dass alle physikalischen Eigenschaften der Körper in einem bestimmten Verhältniss abhängig sind von der Cohäsionskraft und Wärmekraft.

„Zwischen vier Dingen,“ sagt Aristoteles, „giebt es sechs Combinationen (Paarungen) zu zwei. Aber die Paarung zweier entgegengesetzten Eigenschaften, wie kalt und warm, feucht und trocken, heben einander auf, sie ist nicht wahrnehmbar für die Sinne. Es bleiben demnach nur vier Combinationen, die mit den vier Körpern, woraus der Erdkörper besteht, übereinstimmen. Die Erde, als der Inbegriff des Festen, ist kalt und trocken, das Wasser kalt und feucht, die Luft feucht und heiss, das Feuer heiss und trocken. Durch diese Paarung entstehen demnach die vier materiellen Elemente, aus diesen vier Elementen entstehen alle übrigen Körper, sie sind in allen enthalten; die Abweichung und Verschiedenheit in den Eigenschaften der andern Körper hängt lediglich von dem Verhältniss ab, in welchem die vier zusammengetreten sind; welches Element hervorsticht, dessen Eigenschaft nimmt der Körper an.“

Wie aus dem folgenden Schema sich ergiebt, haben die Elementarkörper, je zwei, eine Grundeigenschaft gemein.


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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)