Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 117.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Ein Stück Glas oder Porcellan mit einem schwachen metallisch glänzenden Anflug von Arsenik wird darin augenblicklich weiss durch Bildung von einem Oxyde des Arseniks; mit schwarzem Schwefelblei überzogenes Papier wird weiss durch Bildung von schwefelsaurem Bleioxyd; mit schwefelsaurem Manganoxydul getränktes Papier wird braun durch Bildung von Mangansuperoxyd; blaue Indigtinctur mit der Luft in der Flasche geschüttelt wird entfärbt; Kalkwasser geht in salpetersauren Kalk über, ein Stück übelriechendes Fleisch verliert in dieser Flasche seinen Geruch; die Dämpfe von Weingeist, Aether, Terpentinöl und andere ätherische Oele, Kohlenwasserstoffe, schweflige Säure entziehen der Luft den ozonisirten Sauerstoff, indem sie sich damit verbinden.

Wenn Weingeist in einem Näpfchen in eine Flasche eingehängt wird, auf deren Boden sich ein Stück halb mit Wasser bedeckter Phosphor befindet, so verwandelt sich der Weingeist nach wenigen Tagen in Ameisensäure. Ammoniakgas wird zu salpetrigsaurem oder salpetersaurem Ammoniak oxydirt.

Beim Einathmen reizt die ozonisirte Luft zum Husten und bei längerer Einwirkung verursacht sie eine Entzündung der Schleimhäute. Kleine Thiere sterben in solcher Luft, ein Kaninchen unter Symptomen, die denen gleichen, welche Chlorgas beim Einathmen hervorbringt, und es scheint aus einer Berechnung hervorzugehen, welche Schönbein angestellt hat, dass schon 2 Milligramm (1/33 Gran) hinreichen, um ein Kaninchen zu tödten.

Der ozonisirte Sauerstoff kann in gewöhnlichen zurückgeführt werden durch den Einfluss der Wärme.

Leitet man ozonisirtes Sauerstoffgas durch eine enge schwachglühende Glasröhre, so werden die eben beschriebenen Eigenschaften augenblicklich vernichtet; die Luft welche durch die heisse Glasröhre strömte, unterscheidet sich in keiner ihrer Eigenschaften mehr von gewöhnlicher Luft.

Die Eigenschaft, welche der Phosphor besitzt, im Momente seiner Oxydation den Sauerstoff der Luft in ozonisirten zu verwandeln, gehört diesem Körper nicht eigenthümlich an.

Eine grosse Anzahl von Materien, welche wie der Phosphor in feuchter Luft bei gewöhnlicher Temperatur sich oxydiren, theilen auch sein Ozonisirungsvermögen, z. B. Bittermandelöl, schweflige Säure, Terpentinöl, Stibäthyl; dies sind, wie man sieht, Materien von der verschiedensten Art und Zusammensetzung, welche alle nur die Eigenschaft gemein haben, bei gewöhnlicher Temperatur wie der Phosphor Sauerstoff aufzunehmen oder zu verwesen.

Hängt man Papierstreifen, welche mit einer Manganoxydulsalzlösung befeuchtet oder mit Indigtinctur blaugefärbte Leinwandstreifen in Luft, in welcher sich Dämpfe von Bittermandelöl oder etwas gasförmige schweflige Säure befindet, so wird das Papier braun von gebildetem Hyperoxyd, die blaue Leinwand wird gebleicht, der Indigo dauernd zerstört.

Die schweflige Säure, vermöge ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff, entzieht vielen Oxyden den Sauerstoff; Quecksilberoxydul wird dadurch zu Metall, Eisenoxyd zu Eisenoxydul, Salpetersäure zu salpetriger Säure oder zu Stickoxydgas und es gehört ohnstreitig zu den seltsamsten Erscheinungen, dass eben diese Säure mit Sauerstoff und einer dritten Substanz

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)