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erhielt Magnus über 10 Procent seines Volums Sauerstoffgas. In dieser Behandlung nimmt das Blut abwechselnd die hochrothe Farbe des arteriellen oder die dunkel purpurrothe des venösen Blutes an.

Diese Thatsachen beweisen, dass Kohlensäure und Sauerstoffgas in Beziehung auf ihre Wirkung auf das Blut einander entgegengesetzt sind; es findet eine Austreibung der Kohlensäure und eine Aufnahme von Sauerstoff statt, wenn die Luft ausserhalb eine gewisse Menge Sauerstoffgas enthält; enthält die Luft ein Uebermaass von Kohlensäure, so wird ganz im Gegentheil der Sauerstoff ausgetrieben; sind beide in einem gewissen Verhältniss in der Luft enthalten, so müssen sie sich gegenseitig im Gleichgewichte halten; das Blut wird keine Veränderung erleiden, und in diesem Falle das venöse Blut nicht in arterielles übergeführt werden.

Wenn ferner die Menge des in das Blut überhaupt aufnehmbaren Sauerstoffs in einem gewissen Verhältniss abhängig ist von der Quantität der austretenden Kohlensäure, so ist von selbst klar, dass die Vermehrung des Sauerstoffgehaltes der Luft ohne allen Einfluss auf den Respirationsprocess sein muss. Diese bemerkenswerthe Thatsache haben die Herrn Regnault und Reiset in ihren bewundernswürdigen Versuchen festgestellt. Sie fanden, dass Thiere, welche in einer Luft längere Zeit (22 bis 24 Stunden) athmeten, welche zwei- bis dreimal mehr Sauerstoff enthielt, als die atmosphärische Luft, keine Art von Beschwerde fühlten, und dass die Respirationsproducte ihrem Verhältniss und ihrer Menge nach genau dieselben waren, als wenn die Thiere in normaler Luft athmen. Diese, sowie die Versuche von Magnus beweisen, dass die Lunge nicht der eigentliche Sitz der Kohlensäurebildung oder eine Wärmequelle, ähnlich einem Feuerheerde, ist, sondern dass in dem arteriellen Blut ein Sauerstoffstrom durch den Körper fliesst, der auf seinem Wege durch die feinsten Gefässe die Bildung von Oxydations- oder Verbrennungsproducten, darunter die der Kohlensäure, und damit ein Freiwerden von Wärme bedingt. Das Verhältniss der Abhängigkeit der Sauerstoffaufnahme von der Kohlensäurebildung und Ausscheidung scheint ferner zu beweisen, dass beide in dem Blute einerlei Träger, nämlich die Blutkörperchen haben, dass diese den Sauerstoff der Luft in der Lunge, und in der Circulation des Blutes die gebildete Kohlensäure aufnehmen, woraus sich dann von selbst ergiebt, dass diese Blutkörperchen nicht mehr Sauerstoff aufnehmen können, als sie Kohlensäure abgegeben haben, eben weil das eine Gas den Platz des

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_231.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)