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das Blutgefässsystem und dessen Absonderung durch die Nieren in engerem Zusammenhange mit der Gegenwart des Kochsalzes stehen, als man gewöhnlich sich denkt.

Wenn man ferner in’s Auge fasst, dass der Instinct der stärkmehlreichen Nahrung Kochsalz in weit grösserer Menge zusetzt, als anderen Speisen, dass Kartoffeln ohne Kochsalz für die meisten Menschen kaum geniessbar sind, so wird man unwillkürlich an die merkwürdige Verbindung erinnert, welche das Kochsalz mit Traubenzucker, dem Producte der Verdauung des Stärkmehls eingeht; es ist bekannt, dass der diabetische Harn in der Regel diese Verbindung enthält, und auf die Absonderung des Zuckers durch die Nieren kann die Gegenwart des Kochsalzes nicht ohne Einfluss sein.

Es kann bei dieser Gelegenheit nicht übergangen werden zu erwähnen, dass die Landwirthe die Frage der Nothwendigkeit oder Nützlichkeit des Kochsalzzusatzes zu dem Futter der Thiere in ihrer Weise zu lösen sich bemühten. Das Resultat der werthvollen Versuche von Boussingault ist in dieser Beziehung entscheidend, klar und verständlich; der Salzzusatz zum Futter war ohne Einfluss auf den Fleisch-, Fett- oder Milchertrag; aber, sagt Boussingault, „das Salz schien auf das Ansehen und die Beschaffenheit der Thiere eine günstige Wirkung zu haben; nach den ersten 14 Tagen bemerkte man zwischen den beiden Losen (jedes von drei Stieren) keinen bemerklichen Unterschied, aber im Laufe des darauf folgenden Monats war der Unterschied im Ansehen selbst für ein wenig geübtes Auge offenbar; bei den Thieren beider Lose zeigte das Befühlen eine feine, markige Haut, aber die Haare der Stiere, welche Salz bekommen hatten, waren glatt anliegend und glänzend, die der anderen matt und in die Höhe stehend. Mit der Verlängerung dieses Versuches wurden diese Kennzeichen noch hervorstechender. Bei den Thieren des zweiten Loses, welche während eines Jahres kein Salz bekommen hatten, war das Haar durcheinander und die Haut war hie und da nackt und ohne Haare. Die des ersten Loses hingegen behielten das Ansehen von Stallthieren, ihre Lebhaftigkeit und häufige Anzeichen des Bedürfnisses zu bespringen stachen auffallend ab gegen den trägen Gang und das kalte Temperament, welche man an den Thieren des zweiten Loses wahrnahm. Es ist kein Zweifel, fährt Boussingault fort, dass man für die Stiere, welche man unter dem Einflusse des Salzes erzogen hatte, auf dem Markte einen vortheilhafteren Preis erhalten haben würde.“

Diese Versuche sind im hohen Grade lehrreich; bei den Stieren, welche nur so viel Salz empfangen hatten, als im Futter enthalten war, war diese Salzmenge unzureichend für den Secretionsprocess; einer Menge von Stoffen, die ausserhalb des Körpers Ekel erwecken, fehlte das Transportmittel, ihr ganzer Körper, das Blut, Fleisch und alle Säfte waren damit angefüllt; denn die äussere Haut ist der Spiegel für die Beschaffenheit des Innern. Die anderen Stiere, welche täglich Salz bekommen hatten, blieben selbst in der ihrer Natur sehr wenig entsprechenden Lebensordnung, der sie ausgesetzt waren, bei einem Uebermass von Nahrung und Mangel an Bewegung gesund, ihr Blut blieb rein und geeignet für alle Zwecke der Ernährung; sie empfingen mit dem

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)