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Das Eisen ist einer der Hauptbestandtheile des Blutfarbestoffs und durch diesen der Blutkörperchen. Die Blutkörperchen sind die Vermittler aller Wirkungen des Blutes, sie vermitteln den Austausch der Gase in der Respiration und den ganzen Stoffwechsel, die Wärme- und Krafterzeugung. Die Stärke und Intensität dieser Vorgänge steht in einem ganz bestimmten Verhältniss zu der Anzahl der Blutkörperchen und durch diese zum Eisengehalt des Blutes. Es giebt Krankheiten, wie viele Fälle der Bleichsucht, in welchen die Anzahl der Blutkörperchen um ¼ und der Eisengehalt der Blutasche in ganz gleichem Verhältniss vermindert ist, und es hat die Erfahrung gezeigt, dass die Symptome derselben, grosse körperliche Ermüdung und Schwäche, bleiches Aussehen, niedrige Temperatur in diesen Fällen durch kleine Gaben von Eisensalzen vollständig gehoben und die Gesundheit wieder hergestellt werden kann.

Die Wirkung des Eisens und seine Nothwendigkeit als Bestandtheil der Nahrung ist hiernach offenbar. Wir können uns die Bildung der Blutkörperchen nicht denken ohne Eisen. Eine kräftige Nahrung muss unter allen Umständen eine gewisse Menge Eisen enthalten, entsprechend der Menge, welche täglich unwirksam geworden und durch den Darmcanal ausgetreten ist; es ist gewiss, dass bei Ausschluss des Eisens in der Nahrung das organische Leben nicht besteht.

Die vegetabilische Nahrung, namentlich die Getreidesamen und durch diese das Brod, enthalten eben so viel Eisen wie das Rindfleisch, überhaupt wie das rothe Fleisch; das Kalbfleisch enthält ⅓ weniger als das Rindfleisch; der Käse, die Eier und namentlich die Fische enthalten im Verhältniss zu den Alkalien noch weit weniger als das Kalbfleisch.

Die Milch (0,47 Procent Eisen), der Käse die Eier und Fische gehören zu den sogenannten Fastenspeisen und es ist höchst wahrscheinlich, dass die Zwecke, welche religiöse Vorschriften durch den Ausschluss des Fleisches und namentlich des rothen Fleisches erzielen, in dem Mangel des Eisens ihre Erklärung finden[1].

Die anderen unverbrennlichen Bestandtheile des Fischfleisches sind die nämlichen wie die des Ochsenfleisches. Wenn die Fische gekocht werden, so geht ein Theil der löslichen Bestandtheile ihres Fleisches in die Brühe über, welche in der Regel nicht genossen wird, und ihr Blutbildungswerth wird dadurch vermindert. Besonders niedrig stellt sich

  1. Asche von Käse nach Abzug des Kochsalzes:
    Labkäse aus saurer Milch
    Schweizer Käse sog. deutscher Handkäse
    (Johnson.) (Johnson.)
    Alkalien 13,48 42,29¹)
    Kalk 39,22 8,92
    Bittererde 1,77 0,00
    Eisenoxyd 0,35 0,40
    Phosphorsäure 45,00 47,88
    Kieselerde 0,18 0,11
    100,00 100,00

    ¹) Unter diesen Alkalien befanden sich 25,68 Procent Natron, welche höchstwahrscheinlich durch Zusetzung des Kochsalzes in die Käseasche gekommen sind; denn die Milch enthält keine oder nur Spuren von Natronsalzen.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)