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Wasser, d. h. keinen Thaubeschlag, mehr absetzt; die Spannkraft des Wasserdampfes ist von 17mm. auf weniger als 2mm. herabgedrückt.

In einer Luft, die man mit Wasserdampf gesättigt erhält, verliert die Ackererde ihre absorbirende Kraft für den Wasserdampf in eben dem Grade, als sie selbst sich damit gesättigt hat. Bei vollkommener Sättigung nimmt sie kein Wasser aus der Luft mehr auf. Aus jeder Luft von 20° C., welche Wassergas von mehr als 2mm. Spannkraft enthält, entzieht die trockene Ackerkrume so lange Wasser, bis sich ein Gleichgewichtszustand der Spannkraft des Wasserdampfes in der Luft oder der Kraft, welche den Gaszustand zu erhalten, und der anziehenden Kraft in der Erde, die ihn aufzuheben strebt, hergestellt hat.

Die Erde, welche sich durch Aufnahme von Feuchtigkeit aus der Luft bei einer gegebenen Temperatur damit gesättigt hat, giebt an trocknere Luft eine gewisse Quantität davon wieder ab und ebenso wenn die Temperatur der Luft steigt; einer noch feuchteren Luft hingegen entzieht sie Wasser, bis das Gleichgewicht hergestellt ist.

Die Vorgänge der Absorption und Verdunstung sind von einer wichtigen Erscheinung begleitet: bei der Absorption des Wasserdampfes erwärmt sich die Erde und sie kühlt sich beim Verdampfen ab. Hängt man ein leinenes Säckchen mit trockener Ackererde, in dessen Mitte sich ein Thermometer befindet, in ein Gefäss mit feuchter Luft, so sieht man das Quecksilber des Thermometers nach einigen Augenblicken steigen; in v. Babo’s Versuchen stieg in einer an organischen Stoffen reichen Erde die Temperatur von 20° bis auf 31° C., in einem Sandboden auf 27° C. In gleicher Weise verhielt sich Ackererde, die in Luft von 20° C. und 12° Thaupunkt sich theilweise mit Feuchtigkeit gesättigt hatte, in mit Wasserdampf gesättigter Luft; die Temperatur erhöhte sich um 2 bis 3 Grade. Die eben beschriebenen Erscheinungen müssen auf die Vegetation einen ganz bestimmten Einfluss äussern: auch wenn die hervorgehobenen Extreme der Erwärmung nur selten eintreten mögen, so sind die dazwischen liegenden Fälle um so häufiger.

Wo im heissen Sommer die Oberfläche des Bodens austrocknet, ohne dass ein Ersatz aus tiefern Erdschichten durch capillare Anziehung statt hat, liefert die mächtige Anziehung des Bodens zu dem gasförmigen Wasser in der Luft die Mittel zur Erhaltung der Vegetation.

Der zu verdichtende Wasserdampf wird durch zwei Quellen geliefert. Während der Nacht sinkt die Temperatur der Luft; die Spannkraft des darin enthaltenen Wasserdampfes erniedrigt sich, und auch ohne dass die Temperatur der Luft auf den Thaupunkt sinkt, tritt durch die Anziehung der Ackerkrume Aufnahme von Wasser (Ammoniak und Kohlensäure), begleitet von Wärmeentwickelung ein, welche die Erkältung des Bodens durch Ausstrahlung mässigt. Ganz besonders muss diese Erscheinung in den regenlosen tropischen Gegenden von dem eingreifendsten Einfluss sein. Ist ihre Wirkung in unsern gemässigten Klimaten auch keineswegs so stark als dort, so kann sie dennoch nicht als verschwindend angesehen werden; die hier auftretende Temperaturerhöhung des Bodens beträgt, da die Verdichtung allmählich erfolgt, in vielen Fällen gewiss nur Bruchtheile eines Grades, allein für viele Gewächse sind es diese Bruchtheile, die ihr besseres Gedeihen ermöglichen: der Boden wird

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_359.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)