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in drei auf einander folgenden Jahren für 10 Pfund Guano einen Mehrertrag über ein ungedüngtes gleiches Stück von 15 Pfund Weizenkorn, 40 Pfund Kartoffeln und 28 Pfund Klee geliefert hat. Je nach der Beschaffenheit der Felder wechseln diese Mehrerträge von 10 bis 20, in England bis zu 22 und 28 Pfund Korn für 10 Pfund Guano[1].

Ohne einen Fehler zu begehen, kann man demnach annehmen, dass die Einfuhr von einer Million Centner Guano gleichbedeutend ist einer Erhöhung der Production von zwei Millionen Centnern Korn, die man mit dem im Umlauf vorhandenen selbst erzeugten Düngercapital allein nicht hätte produciren können; dieses producirt für sich seinen Theil genau so, wie wenn der Guano nicht mitgewirkt hätte.

Wir haben seit Jahrhunderten den grossen Städten in dem Fleisch und den Feldfrüchten die Bestandtheile des Guano zugeführt, und diesen Guano nicht zurückgebracht, und wir schicken jetzt Schiffe nach Chili, Peru und nach Afrika, und holen uns diesen Guano zurück. Für je 45 Millionen Pfund zahlen wir an das Ausland die Summe von 3 Millionen Gulden.

Unsere Felder haben durch jene Ausfuhr an Fruchtbarkeit verloren; hätten sie dies nicht, wie wäre es denkbar oder nur möglich, dass wir durch die Einfuhr derselben ihre Fruchtbarkeit hätten steigern können!? Ein in der besten Beschaffenheit befindliches Feld darf durch kein Düngmittel in seiner Ertragsfähigkeit gesteigert werden können, und auf gut bewirthschafteten Gütern ist der Mehrertrag durch den Guano darum in der Regel weit geringer als auf schlechten; während er auf den ersteren, so bald sein Preis um etwas höher steigt, keine lohnenden Erträge mehr giebt, werden ihn die schlechten Wirthschaften immer noch, und mit Recht, als ein Mittel preisen, dass ihnen Vortheil gewährt.

In den Jahren 1855–1856 sind über 10 Millionen Centner Guano eingeführt worden, von welchem der grösste Theil in England blieb;

  1. „Von den Orten, wo das Korn erzeugt wird, ist in den Vereinigten Staaten der Markt hundert und tausend von Meilen entfernt und die Folgen geben sich in der Thatsache zu erkennen, dass der Boden beinahe überall erschöpft ist, dass der Wohlstand anstatt zuzunehmen, abnimmt.

    „In welchem Verhältnisse derselbe sich vermindert, ist kürzlich durch einen ausgezeichneten Landwirth gezeigt worden, durch welchen wir erfahren:

    „dass die Phosphorsäure und das Kali, welches jährlich den Feldern genommen wird ohne einen bemerkenswerthen Ersatz, nach dem gewöhnlichen Marktpreis einen Werth von zwanzig Millionen Dollar hat;

    dass die Aschenbestandtheile von 600 Millionen Bushel Korn jährlich dem Boden genommen werden, ohne bemerkenswerthen Ersatz;

    dass die ganze jährliche Verschwendung an den Mineralbestandtheilen des Korns gleich ist „fünfzehnhundert Millionen Bushel Korn.“

    „Vorauszusetzen, sagt der Urheber dieser Schätzungen, dass dieser Stand der Dinge von Dauer und wir als Nation an Wohlstand zunehmen könnten, ist einfach lächerlich (ridiculous). Es ist blos eine Zeitfrage, und die Zeit wird das Problem in unverkennbarer Weise lösen: Was wir mit unserer Bodenschlächterei und Verschwendung verlieren, ist die Essenz unserer Lebensfähigkeit.

    „Unser Land ist noch nicht schwach geworden durch diesen Verlust seines Lebensblutes, aber die Stunde ist bezeichnet, wo, wenn unser gegenwärtiges System dauert, das letzte Zucken des Herzens der Nation aufhören wird, wo Amerika, Griechenland und Rom zusammen stehen werden unter den Ruinen der Vergangenheit.

    „Die national-ökonomische Frage ist nicht, wie viel wir zu produciren vermögen, sondern wie viel von unseren jährlichen Producten dem Boden wieder gegeben wird. Arbeit zum Raube des Bodens verwendet ist schlimmer als hinweggeworfene Arbeit. In dem letztern Falle ist sie ein Verlust für die gegenwärtige Generation, im andern ist die Armuth die Erbschaft der Nachkommen.

    „Verschwendung, Herr Präsident, ist ein Verbrechen, welches seine Strafe in dem natürlichen, moralischen und politischen Verfall findet, auf welchen ich Ihre Aufmerksamkeit gelenkt habe. – Seine Wirkungen zeigen die Thatsachen, dass in Newyork vor 80 Jahren 25 bis 30 Bushel Weizen der gewöhnliche Ernteertrag waren; er ist jetzt 12, der Mais giebt nur 25 Bushel. In Ohio, einem Staate, welcher vor 80 Jahren noch eine Wildniss war, ist der Mittelertrag von Weizen weniger als 12 Bushel und er nimmt ab, anstatt zuzunehmen. In Virginien, auf einem weiten Landstrich, einst der reichste im Staate, ist der Mittelertrag von Weizen weniger als sieben Bushel, während in Nord-Carolina Land bebaut wird, welches wenig mehr als diesen Ertrag an Mais giebt. In Virginien und Kentucky wurde Tabak gebaut bis der Boden gänzlich erschöpft war und verlassen werden musste, und in den Baumwollengegenden begegnen wir einem Zustand der Erschöpfung, welche durch die kurze Zeit, in welcher sie geschehen, ohne Beispiel in der Welt ist. Die Leute, welche Baumwolle und Tabak bauen, leben von ihrem Capital, sie verkaufen ihren fruchtbaren Boden in ihren Producten zu einem so niedern Preise, dass sie für jeden Dollar den Werth von fünf zerstören.“

    (Letters to the President on the foreign and domestic Policy of the Union and the effects as exhibited in the condition of the people and the State. By H. C. Carey. Philadelphia, J. B. Lippincolt & Co. 1857. Tenth letter, p. 54.)

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_439.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)