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Wir brechen die Darstellung der Geschichte der häretischen Bewegungen des 14. Jahrhunderts in Böhmen und seinen Nachbarländern mit dem Zeitpunkt der Thronbesteigung Karl’s IV. ab. In einem folgenden Artikel werden wir die Geschichte des Waldenserthums im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und im Zusammenhang damit seine Beziehungen zum Husitismus zu schildern haben.




Anhang I. Die Strassburger Waldenser von 1212 und das böhmische Ketzerhaupt „Birkhardus“.

Nach dem sich ausdrücklich für urkundlich ausgebenden Zeugnisse des Strassburgers Daniel Specklin (gestorben 1589), dessen Glaubwürdigkeit bisher, so viel ich sehe, von keiner Seite angezweifelt worden ist, müsste Böhmen bereits im Jahre 1212 als Hauptsitz des Waldenserthums in Deutschland gelten. Specklin, der seinen von C. Schmidt[1] mitgetheilten Bericht (die einzige ihn enthaltende Handschrift ist leider im Jahre 1870 mit der Strassburger Bibliothek zu Grund gegangen) aus einer Handschrift des Klosters zu St. Arbogast bei Strassburg geschöpft haben will, erzählt, die im Jahre 1212 in Strassburg entdeckten Ketzer, die Specklin mit aller Bestimmtheit als Waldenser[2] bezeichnet, seien unter drei „Obristen“ gestanden, welchen Geld und andere Gegenstände zur Unterstützung der Armen

    204 etc.). Die von mir vertretene These, dass uns in dem „Codex Teplensis“ die Bibelübersetzung der deutschen Waldenser des Mittelalters erhalten ist, scheint durch die obenstehenden Erörterungen eine neue Bestätigung zu erfahren. Einerseits ist das südliche Böhmen allen Anzeichen nach ein Hauptsitz des Waldenserthums im 14. Jahrhundert gewesen; andererseits hat die von W. Weiss geführte „Untersuchung zur Bestimmung des Dialektes des Codex Teplensis“ (Hallenser Dissertation 1887) zum Ergebniss geführt, dass die Bibelübersetzung der Tepler Handschrift im letzten Fünftel des 14. Jahrhunderts im südlichen Böhmen, etwa zwischen Krumau und Prag, entstanden ist, so dass wir auch hier wieder auf die Gegend von Tabor oder Pisek geführt werden.

  1. Die Secten zu Strassburg im Mittelalter. Zeitschrift für historische Theologie Bd. X (Neue Folge Bd. IV, 1840), Heft 3, S. 31 ff.
  2. Willkürlich genug gibt ihnen Specklin (a. a. O. S. 36) gleichzeitig den Namen „Brod durch Gott“, der seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (vergl. z. B. Mosheim, De beghardis et beguinabus S. 616) den bettelnden Beginen und Begharden beigelegt wurde.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_320.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)