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macht dem Kaiser den Vorwurf, dass er um Siciliens willen die letzte Gelegenheit zu einer Reorganisation Deutschland’s versäumt und damit den politischen Verfall Deutschlands verschuldet habe[1]. Freilich hätte er in Deutschland eine schwerere Aufgabe zu lösen gehabt als in Sicilien. Hier fand er einen fertigen, wohlgeschulten Beamtenstand, dort hatte er den Kampf aufzunehmen gegen die feudalen Gewalten, einen zwar mühevollen, aber lohnenden Kampf, dem die Hilfsmittel des deutschen Königthums wohl gewachsen gewesen wären[2]. Friedrich ist dieser nationalen und königlichen Pflicht aus dem Wege gegangen und zwar wesentlich durch egoistische Motive geleitet: er wollte sich nicht trennen von dem sonnigen Lande seiner Jugend und von den Genüssen einer reichen südlichen Natur, um ihretwillen ist er an seiner deutschen Nationalität zum Verräther geworden[3]. Wir wollen untersuchen, ob dieser Vorwurf berechtigt ist. Zunächst aber gilt es eine Voraussetzung zu erörtern, welche der Argumentation Ficker’s zur Grundlage dient.

Durch den Erwerb Siciliens soll der natürliche „zweckmässige“ Umfang des Kaiserreichs überschritten sein, von dessen Grenzen in dem Bewusstsein des Volkes ein deutliches Gefühl gelebt habe, da dieses das Königreich Sicilien als regnum von dem imperium schied, welches Deutschland, Burgund, Ober- und Mittelitalien umfasste[4].

Ich bezweifle, dass dieser Sprachgebrauch vor Friedrich II.[5] nachweisbar ist, und falls er nachweisbar sein sollte, zu irgend welchen Folgerungen berechtigt. Vor Allem vermisse ich ihn dort, wo man ihn am ehesten erwarten sollte: in der Correspondenz Innocenz’ III. Wir finden hier öfters regnum dem imperium gegenübergestellt, aber jedesmal so, dass der Zusammenhang oder die Adresse ergibt, ob das deutsche oder das sicilische Königreich gemeint ist.

So ist z. B. in der deliberatio[6] mehrfach regnum als deutsches

  1. Böhmer-Ficker, Regesta p. XVI.
  2. Böhmer-Ficker, Regesta p. XVII.
  3. Böhmer-Ficker p. XVII.
  4. Ficker, Kaiserreich p. 76 und 86.
  5. Dass dieser Sprachgebrauch unter Friedrich II. Platz greifen konnte, kann nicht Wunder nehmen; hatte doch Friedrich die Nichtzugehörigkeit zum Kaiserreiche ausdrücklich anerkannt.
  6. p. 699, 1 u. 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_332.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)