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versucht. Dieses Gleichgewicht aber war durch den Erwerb Siciliens zu Gunsten des Kaiserthums zerstört worden. Das Papstthum war von beiden Seiten von kaiserlichen Ländern umgeben; es war in Gefahr, wieder in die Stellung zurückzusinken, welche es unter Heinrich III. eingenommen und die noch kürzlich Reinald von Dassel ihm vorgeschrieben hatte; der Papst wäre wieder der erste Bischof des Kaiserreichs geworden. Es war kein Zweifel: die Stellung, welche Gregor VII. der Hierarchie erobert hatte, die Freiheit der Kirche, wie der Klerikale zu sagen pflegt, war in Frage gestellt, wenn der deutsche Kaiser ganz Italien unter seiner Herrschaft vereinigte.

Wie sehr Friedrich sich bemüht hat, den Kampf mit der Curie zu verhindern, es war eine welthistorische Nothwendigkeit, welche die beiden Mächte in den Kampf trieb: das Kaiserthum konnte Italien nicht entbehren, das Papstthum konnte die deutsche Herrschaft in Italien nicht dulden.

Wie schwer ist es doch, die Menschen der Vergangenheit einem historischen Urtheil zu unterwerfen! Hätte Friedrich den Kampf mit der Curie unter allen Umständen vermeiden sollen? Hätte er auf seine italienischen Pläne verzichten sollen, um einen höchst wahrscheinlich aussichtslosen Kampf gegen die Fürstenmacht Deutschlands zu kämpfen?

Friedrich war durchdrungen von dem providentiellen Beruf der Kaiserherrschaft, welche ihm von seinen Ahnen überliefert war; diese Kaiserherrschaft war ebenso göttlicher Herkunft und jedenfalls älteren Rechts als der hierarchische Anspruch des Papstthums. Das Ideal der Königsherrschaft, wie er es in seinem süditalienischen Reiche durchgeführt hatte, stand in directem Widerspruch mit den päpstlichen Ansprüchen: er kämpfte hier den Kampf des modernen Staates gegen Rom, nicht als ein Nachfolger der Salier, sondern als ein Nachfolger Heinrich’s II. von England und als ein Vorläufer Philipp’s des Schönen und Ludwig’s des Baiern.

Ich meine, wir thun besser, uns des Urtheiles zu enthalten und uns auf den Versuch zu beschränken, die Motive der miteinander ringenden Mächte zu begreifen.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_345.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)