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Seeposition in Friaul und Istrien bezahlen müssen. Dennoch wird bei uns allgemein sein Beitritt zur Liga von Cambray im December 1508 als ein unverzeihlicher Fehler betrachtet. Seine Casse war zu erschöpft, als dass er trotz der durch die Siege und Erfolge seiner Verbündeten bewirkten unvergleichlichen Gunst der Lage im Stande gewesen wäre, im Sommer 1509 den Venetianern alle die angeblich dem Reich oder dem Haus Habsburg gehörenden Besitzungen zu entreissen, auf welche der Tractat von Cambray ihm ein Recht zugesprochen hatte.

Man macht sich in der Regel doch keine genügende Vorstellung davon, bis zu welchem Grad das Verhältniss der vier Haupttheilnehmer der Liga innerlich unwahr, durch Misstrauen und Besorgniss vergiftet war. Nur wer kräftig auf gesunden Füssen einherwandelte und die Ellenbogen frei hatte, konnte in solcher Umgebung seine Zwecke fördern. Wie anders Maximilian, der von Beginn an sich bewusst war, wie abhängig er bei jedem Schritt von dem guten Willen seiner Partner war. Seitens derselben hat er vom Papst und von Ferdinand von Aragon stets nur sehr laue Unterstützung erfahren; um so mehr war er auf den ihm persönlich gar nicht sympathischen König von Frankreich angewiesen[1]. Da aber, wo er allzu sanguinisch freudige Zustimmung vorausgesetzt hatte, traf er auf kalte Ablehnung. Das Reich versagte seinem Kaiser anfänglich jede Heeresfolge und hat auch später in diesem Kriege nichts Nennenswerthes geleistet. Man hatte in diesen Kreisen wohl keinen rechten Glauben mehr an die Möglichkeit und den Vortheil einer Wiederherstellung der seit Jahrhunderten schattenhaften Reichsrechte in Oberitalien. Hätte man ihn aber auch noch besessen, so würde das fest eingewurzelte Misstrauen gegen die Fähigkeit des regierenden Kaisers, die Dinge mit Bedacht und Ausdauer in die rechte Bahn zu lenken, doch einen freudigen und fruchtbaren Anschluss an seine Politik verwehrt haben. Man muss das beklagen und hat sicher gar keinen Anlass, den Reichsständen ihren Kaltsinn als Tugend anzurechnen. Aber man hüte sich doch auch recht, in ihrem

  1. Das Geschichtchen über den Verzicht Maximilians auf die alte Feindschaft, wie es, nach Guicciardini, Storia d’Italia (Venedig 1610) 225 b, der Verfasser (Dubos) der Histoire de la ligue faite à Cambray I, 10 und 92 zurechtgestutzt hat, ist nicht glaubwürdig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_347.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)