Seite:De DZfG 1890 03 124.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Eigenthum halten mochte. Doch kann es nicht jener Zeuge der Scenen vom 20. Juni gewesen sein, aus dessen Feder die „zwey Briefe eines Deutschen aus Paris“ in der Minerva 1792, III S. 453–502 herrühren. So viel ist gewiss: Wer sich das Verdienst erwerben will, eine neue Ausgabe des höchst selten gewordenen Werkes von Oelsner zu veranstalten, darf ihm nicht das Unrecht thun, die „Bruchstücke“ zu Grunde zu legen, sondern muss auf den von ihm revidirten „Luzifer“ zurückgehen.

Auch die Zusätze, die sich im „Luzifer“ finden, machen dies unbedingt nöthig. Es sind ihrer zu viele, als dass sie hier sämmtlich aufgezählt werden könnten. Manche verstärken den Eindruck der Ursprünglichkeit der Berichte in der ersten Auflage. War dort nur von dem „Doctor aus H…“ die Rede, mit dem Oelsner die brüderliche Gesellschaft besucht, so wird hier der Name des Doctors („Doktor T…“ S. 143) angedeutet. Fand er dort am 14. Juli 1791 Robespierre „in einer Allee einsam, aber heiterer als gewöhnlich“, so heisst es hier: „Wir, B. und ich, fanden ihn“. Auch der Gastgeber, bei dem er mit Robespierre, Pethion, Brissot u. s. w. speiste, wird hier wenigstens mit dem Anfangsbuchstaben seines Namens bezeichnet (S. 308: „Ich speiste bei B…“). Andere Zusätze enthalten neue Nachrichten über Personen und Ereignisse, die Oelsner erst später zugekommen sein mögen. Vieles davon betrifft Mirabeau, dem Oelsner hier eine Gesammtwürdigung zu Theil werden lässt, die manche Weglassung der ersten Ausgabe aufwiegt[1]. Schilderungen von Reiseerlebnissen, wie eines Besuches des Marstalles von Kaunitz, launige Nutzanwendungen alltäglicher Erfahrungen aufs politische Leben, scharfe Bemerkungen über die Fehler von Aristokratie und Königthum: alles das sind werthvolle Ergänzungen des Früheren. Charakteristisch sind die Veränderungen des kleinen Abschnittes, der sich mit Camille Desmoulins beschäftigt. Er heisst in der ersten Auflage (S. 164) noch „ein Narr, ein niederträchtiger Schurke, der zu Tiberius’ Zeiten der frechste Delator gewesen wäre, wie er jetzt der schamloseste Verläumder ist“. In der zweiten Auflage (S. 335–338) würde man diese Worte

  1. Eine merkwürdige Notiz findet sich S. 180: „Mirabeau hinterlässt ein Werk über die Mängel und nothwendigen Verbesserungen der Französischen Constitution“. Hatte Oelsner vielleicht etwas von Mirabeau’s grosser Denkschrift Nr. 47 für den Hof erfahren?
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_124.jpg&oldid=- (Version vom 22.10.2022)