Seite:De DZfG 1890 03 156.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

immer ihre Zuflucht zu diesem Werke nehmen müssen, um das Wesen der Centralgewalt in Frankreich unter Johann II., Karl VI. und Karl VIII. kennen zu lernen.

Das Werk L. Jarry’s über den Herzog Ludwig v. Orléans[1] ist umfangreicher, aber der dicke, gewissenhaft vorbereitete Band reicht trotz guter Eigenschaften nicht an die kleinen Aufsätze Valois’ heran. Den Verfasser hat die Masse des zu behandelnden Stoffes gleichsam erdrückt; er hat es nicht immer verstanden, denselben klar und anziehend zu ordnen, und die interessante und sympathische Gestalt seines Helden ins rechte Licht zu setzen. Indem er ferner die literarische und künstlerische Seite seines Themas absichtlich bei Seite liess, musste sein Versuch einer Apologie Ludwig’s scheitern. Denn wenn dieser Fürst auch ein hellblickender Beschützer der Künstler und Gelehrten war, so war seine Rolle in der inneren und äusseren Politik doch beklagenswerth. Zudem scheint Jarry nicht genügend die Gesellschaft zu kennen, in der sich dieser Fürst bewegte, und in gewisser Hinsicht, besonders im Punkte der Sittlichkeit, erregt diese Vertheidigungsschrift in uns ein Lächeln; doch bleibt das Werk eine wichtige Arbeit, reich an kritischen Untersuchungen, und man wird dasselbe immer zu Rathe ziehen müssen.

Dieselbe Fülle der Einzelheiten und dieselbe Genauigkeit finden wir in den Abhandlungen des Grafen von Circourt über die Unternehmungen des Herzogs Ludwig in Italien von 1392–1396[2]; die Liebhaber von Ineditis werden hier ihre Freude haben. Graf von Circourt bringt wie Jarry eine Menge von bisher unbekannten Stücken. Doch scheinen diese Documente den Kern der Geschichte nicht wesentlich zu modificiren.

Moranvillé erzählt in einer Abhandlung, betitelt: Conférences entre la France et l’Angleterre, 1388–1393[3], die Geschichte der Unterhandlungen, welche dem Waffenstillstande zwischen Karl VI. und Richard II. vom Jahre 1396 vorausgingen und trotz scheinbaren Misslingens denselben herbeiführten.

Alex. Sorel, Richter in Compiègne, hat sich daran gemacht, die Geschichte dieser Stadt unter der Regierung Karl’s VI. und Karl’s VII. zu erzählen; das bemerkenswertheste Ereigniss dieses Abschnittes in der Geschichte Compiègnes ist die Ergreifung der Jungfrau von Orléans unter den Mauern der Stadt im Jahre 1430, daher der Titel des Werkes: La prise de Jeanne d’Arc devant Compiègne[4].

  1. La vie politique du duc Louis d’Orléans. Paris, Picard. 1889. 8°. xx 486 p. 10 fr. [Vgl. Bibliogr. Nr. 213.]
  2. Revue des quest. hist., janv. et juill. 1889. [Vgl. Bibl. ’89, 2130 u. 4746.]
  3. Bibl. de l’école des chartes, 1889 p. 355 ff.
  4. Paris,
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_156.jpg&oldid=- (Version vom 24.10.2022)