Seite:De DZfG 1890 03 385.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dass seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Schweiz, in Frankreich und in den Niederlanden der Name „Waldenser“ (Vaudois) ausschliesslich für die der Hexerei und der Zauberei Angeklagten gebraucht wird, während er als eigentlicher Sectenname hier, wie in anderen Theilen Deutschlands in Zukunft fast vollständig verschwindet, scheint die Folgerung nahezu unabweisbar, dass wir in den Hexenprocessen der vorreformatorischen Zeit zum guten Theile nur eine neue, durch die ausgedehnte Benutzung der Folter modificirte Art der früheren Ketzerprocesse vor uns haben[1]. Zu den ungeheuerlichen Anklagen aus der Zeit Conrad’s von Marburg und aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts zurückkehrend, hat man fortan wohl auch in Südostdeutschland[2] den noch übrig gebliebenen Anhängern des Waldenserthums, wie es gleichzeitig in ähnlicher Weise mit der Böhmischen Brüderunität in Böhmen und Mähren geschah, als Teufelsgenossen, Hexen und Zauberern das Urtheil gesprochen.

Wie wenig freilich die Inquisition mit solchen Mitteln den Geist der Empörung gegen das kirchliche Regiment zu bezwingen vermochte, zeigt der leichte und allgemeine Sieg, welchen die Lutherische Reformation gerade in den Oesterreichischen Herzogthümern errungen hat. Wir erinnern nur daran, dass schon 1525 die Mehrheit des Oberösterreichischen Landtages sich für die reformatorischen Bestrebungen erklärte, und dass bei deren Durchsetzung die Bevölkerung von Steyer und seiner nächsten

  1. Vgl. meine Erörterungen in dieser Zeitschrift Bd. I Heft 2 S. 322 ff. In ein regelrechtes System sind die gegen die Niederländischen „Waldenser“ erhobenen Anklagen auf Zauberei und Teufeldienst durch den Professor der Theologie Johann Tinctoris von Tournay († 1469) gebracht worden; seinen Tractat „contra sectam Vaudensium“, der meines Wissens auch zu Ende des 15. Jahrhunderts gedruckt wurde, konnte ich in einer späteren Abschrift, die Schmincke’s Materialiensammlung für die Biographie Conrad’s von Marburg (Manuscript der Landes-Bibliothek zu Kassel) enthält, benutzen. Vgl. die zahlreichen Documente zur Geschichte der „Waldenser“ von Arras (1459–1461) bei Fredericq, Corpus documentor. inquisitionis Neerlandicae I, 345 ff.
  2. Zum Jahre 1468 berichten die Melker Annalen (Mon. Germ. Script. IX, 521): Conversus quidam Bohemus erroris articulos confingens eosque approbans, stans nudis plantis in prunis aviculas eminus volitantes ad se venire coegit et alia faciendo insueta, ob hoc episcopi in partibus Bavarie et Suevie adunati eum examinando incinerant.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_385.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)