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und den Weitermarsch erst angetreten, als er das Schloss, die Brücken und die Mühlen zerstört und die ganze Stadt von Flammen eingehüllt gesehen habe, also habe annehmen müssen, dass alles im besten Zuge sei. Auch Tessé habe vollauf seine Pflicht gethan, indem er überall Feuer anzulegen befohlen hätte. Für das Misslingen des Zerstörungswerkes macht Montclar in höflicher, aber kaum missverständlicher Weise den Urheber desselben, Louvois selbst, verantwortlich, indem er bemerkt, eine Stadt so, wie hier beabsichtigt, zu vernichten, sei nur möglich, wenn man zuvor die gesammte Einwohnerschaft daraus verjagt hätte[1]. Louvois freilich beruhigte sich dabei noch nicht. Vielmehr beauftragte er alsbald einen seiner Vertrauensmänner, de la Grange, genau zu untersuchen, was in Heidelberg von dem Moment des Abzuges der Franzosen an eigentlich geschehen sei. Aus de la Grange’s Antwort geht hervor, dass Louvois den Verdacht hegte, Tessé habe sich irgendwie von der Bürgerschaft gewinnen lassen – was nach de la Grange’s Ansicht völlig ausgeschlossen war[2]. Wo hätten auch wohl die so gut wie ausgeraubten Heidelberger das Geld hernehmen sollen, um eine Bestechung der Art zu vollziehen?

Solche Schritte des Ministers beweisen zur Genüge, dass er die Vernichtung Heidelbergs gewollt hatte; natürlich hatte er dazu einen entsprechenden Befehl des Königs erwirken müssen. Chamlay, auf den Rousset alle Schuld abzuwälzen sucht, hat mit diesen Vorgängen offenbar gar nichts zu thun gehabt. Denn in der mehrfach erwähnten Denkschrift, worin er noch vor dem Fall von Philippsburg die nach seiner Ansicht demnächst nöthigen militärischen Massnahmen darlegte, war Heidelberg nicht einmal unter den ohne Weiteres zu entfestigenden Plätzen genannt; vielmehr hatte er es neben Heilbronn und Pforzheim als einen Ort genannt, der erhalten und bei den bald bevorstehenden Friedensunterhandlungen zur Rückgabe angeboten werden sollte; dauere der Krieg fort, so sollte Heidelberg nach Chamlay’s Ansicht

  1. Montclar an Louvois d. 22. Mai 1689. Lettr. mil. V S. 322 ff. Vgl. Rousset IV S. 168.
  2. Lettr. mil. V S. 367: que le comte de Tessé n’est pas capable du moindre intérêt et s’il y a eu quelque relâchement à l’exécution des ordres du Roi, cela ne peut pas venir de lui.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_268.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)