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der Vitae pontificum Platina’s grosses Interesse verleiht, ist der Umstand, dass sich in demselben auch jene Stellen finden, welche die katholische Auffassung verletzen. So liest man z. B. fol. 177 b die aus den unverstümmelt nach der editio princeps von 1479 gedruckten Exemplaren[1] bekannte merkwürdige Stelle, wo Platina die Behauptung der Oppositionspartei wiederholte, der Erlass Johann’s XXII., Christus habe kein Vermögen besessen, stimme nicht mit der heiligen Schrift überein. Nicht minder bedeutsam ist, dass sich in dieser einem Papste überreichten Papstgeschichte alle jene heftigen Tadelsworte über die kirchlichen Zustände jener Zeit wiederfinden, welche wir mit Erstaunen in den unverfälschten gedruckten Ausgaben lesen und welche ein wichtiger Beleg für das bekannte Werk Filelfo’s über das Rom Sixtus’ IV. sind: hier herrscht eine unglaubliche Freiheit. Ich hebe einige dieser Stellen hervor. Fol. 180 heisst es im Leben Benedict’s XII.: „Semel autem toto sui pontificatus tempore sex presbyteros cardinales creavit, viros egregios, non de sua stirpe, ut nunc fit, sed undequaque ad tantam dignitatem vocatos“. Viel stärker ist folgende Stelle aus dem Leben Gregor’s IV. (fol. 92 b): „Utinam nostris temporibus Ludovice viveres! Indiget nunc ecclesia tuis sanctissimis institutis, tua censura, adeo in omnem luxum et libidinem sese effundit ecclesiasticus ordo, coccinatos et trabeatos nunc inspiceres non homines, quod leve fortasse videretur, sed equos et jumenta, praecedente, dum incedunt, magno adolescentum et altero presbyterorum agmine subsequente, non in asinis, ut Christus nostri dogmatis autor et bene vivendi unicum in terris exemplar, sed in equis praeferocibus et phaleratis ac si ex hoste devicto triumphum ducerent. De argenteis vasis et egregia eorum supellectile deque cibariis non attinet dicere, cum et Siculae dapes et Attalica ornamenta et vasa Corinthia si haec inspicias nullius pretii dici possint. Quid vero ex hac intemperantia nascatur dicere praetermittam, ne os, ut ipsi aiunt, in coelum ponam“.

Von nicht geringer Bedeutung ist endlich drittens eine Reihe von Zusätzen, die Platina höchst wahrscheinlich mit eigener Hand an den Rand der von einem Copisten kalligraphisch schön geschriebenen Vaticanischen Handschrift machte. Ueber diese mit bewusster Absichtlichkeit gemachten Veränderungen stellte ich in meiner „Geschichte der Päpste“ nähere Mittheilungen in Aussicht. Indem ich

  1. Ich citire im Folgenden nach einem Holländischen Druck von 1645 (B. Platinae Cremonensis opus de vitis ac gestis summorum pontificum ad Sixtum IIII. Pont. max. deductum), weil derselbe ein genauer Abdruck der editio princeps (Venet. 1479) ist.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_352.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2022)