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gemäss hätte die Toscanische Kunst in den Werken Nicola’s, des Pisaners oder Toscaners von Geburt, und seiner Schule in folgerichtiger Entwickelung ihren Höhepunkt erreicht. Ueber das Wie im Speciellen war man freilich nicht klar. Prof. Semper behauptete z. B. die Abhängigkeit Nicola’s „aus einer Etruskisch-christlichen (!) Schule der Sculptur, welche aber schon vor ihm in Toscana blühte“, – wie ein Veilchen im Verborgenen „auf den Bergen des inneren Toscanas, fern vom Weltverkehr, das ganze Frühmittelalter hindurch“. Prof. Schmarsow bringt Nicola mit den Komasken Luccas, in weiterer Folgerung also mit Germanischem Blute in Verbindung. Wie es mit der kunsthistorischen Begründung dieser Ansichten aussieht, darf hier nicht discutirt werden. Genug, der Meinung von der Toscanischen Herkunft Nicola’s folgte die Mehrzahl der Kunsthistoriker, seitdem der Archivdirector Milanesi in Florenz den Nachweis geführt zu haben schien, dass „de Apulia“ in jener Urkunde nicht das südliche Land, sondern einen Ort im südlichen Sobborgo von Lucca bedeute, Nicola Pisano nicht aus Pisa, vielmehr aus Apulia bei Lucca stamme[1].

Ich habe an dieser Stelle die Unrichtigkeit von Milanesi’s Behauptung, der, soweit ich weiss, nie ernstlich widersprochen worden ist, darzuthun.

Zum Beweise stellt Milanesi merkwürdige diplomatisch-grammatikalische Lehrsätze auf Grund von „tante scritture così contemporanee a Niccola come posteriori“ (die er freilich zu nennen unterlassen hat) auf: 1. Die Notare von damals (ob nur die Toscanas, oder ob eine generelle Sitte vorliegt, sagt er nicht) hätten die Gepflogenheit gehabt, bei der Abfassung von Contracten ausser dem Namen der betreffenden Intervenienten auch den ihres Vaterlandes oder des Ortes ihrer Herkunft anzugeben, und wäre es selbst das obscurste Nest der Welt: „così p. e. Johannes quondam Guidi de Florentia, de Pistorio, de Campi, de Scarlino, de Vespignano etc.“. Das ist selbstverständlich. 2. „Ma trattandosi di luogo, il quale, perchè posto fuori della provincia, dove si stipulava lo strumento, poteva essere meno noto, o in

    eingesehen und werde demnächst das ganze auf Nicola Pis. bezügliche Urkundenmaterial, da Milanesi’s Abdruck desselben sachlich wie formal ungenau ist, mit ausführlichem Commentar veröffentlichen. Bei anderer Datirung und Interpretation der Contracte möchte das Bild von der Thätigkeit Nicola’s ein anderes Aussehen erhalten.

  1. Vas. I p. 321 ff. „Noi sappiamo benissimo che col restituire ad un oscuro villaggio Lucchese la gloria di essere stato la culla di questo famosissimo artefice – facciamo cosa che a’ Pisani dispiacerà grandemente.“ Es ist auch dagegen protestirt worden, z. B. jüngst noch vom Archivdirector zu Pisa, Tanfani.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_358.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2022)