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oder weil pf von romanischem Munde schwer zu sprechen war, erhalten hätte? Wer ist im Stande, grade bei derartigen Localnamen den Bildungsprocess immer klar zu verfolgen. In Luccheser Urkunden begegnet mehrmals Pulinio (casa mea massaricia quem abeo in loco P – a. 807. V. 2. p. 208), in ipso loco Polinio (a. 810, 830. IV. 2. p. 16, 30) etc. steckt in dem Worte dieselbe Wurzel wie in Pulia?

Aus der vorstehenden Untersuchung ergeben sich folgende Resultate: 1. Milanesi’s Hypothese von einem villaggio Puglia bei Lucca als Geburtsort Nicola’s Pisano ist hinfällig. Nic. Pis. stammt nicht aus dem Sumpfterrain im Süden Luccas. 2. de Apulia in der Sienesischen Urkunde bedeutet das Süditalienische Apulien, und dort war auch die Heimath des Künstlers. Aus der Staufischen Kunst und Cultur des Südens ist der Meister hervorgegangen, nicht gerade als ihr vollkommenster, vielmehr als ein in Decadenz befindlicher Vertreter, dessen Kunstweise bereits zur Manier wurde. Und dieser Zusammenhang lässt sich, wie ich versuchen werde, auch durch Denkmäler nachweisen. Zum Schlusse möchte ich die Versicherung aussprechen, dass mir persönlich höchst gleichgültig ist, woher Nicola Pisano stammt. Ich werde keinen Augenblick zögern, sogar Nicola’s künstlerische Abkunft aus Toscana anzunehmen, falls mir dafür ein vollgültiger wissenschaftlicher Beweis erbracht wird. Bis dahin halte ich an der Annahme fest, Nicola Pisano sei ein nach Pisa versetzter Apulier gewesen. Mein verehrter College in Breslau aber hätte das, was ich in dieser Entgegnung ausgeführt habe, selbst eruiren müssen, ehe er sein Buch voller Irrthümer und unhaltbarer Hypothesen in die Welt sandte und mich öffentlich tadelte.

C. Frey.     


Replik. Herr Professor Frey hat darin vollkommen recht, die von mir erwähnten Belege für die Existenz eines Ortes Apulia bei Lucca seien oberflächlich zusammengerafft. Etwas Selbständiges damit zu leisten oder gar über die bekannte Literatur hinauszugehen, lag gar nicht in meiner Absicht, sonst hätte ich mich ja auch nur an den Sindaco von Lucca oder an Bongi wenden können, den ich als beste Quelle genannt und dem Prof. Frey seine wichtigsten Aufschlüsse jetzt verdankt. Mein Zweck war nur darzuthun, dass sein Ausspruch, eine Ortschaft Puglia bei Lucca habe nie existirt, mit einer Reihe von Zeugnissen, die man nicht so einfach ignoriren könne, in Widerstreit gerathe. Wenn er die Flüchtigkeit in Nebendingen ausbeutet, um Richtigstellungen vorzubringen, welche die eigentliche Frage gar nicht berühren, so lenkt er damit die Aufmerksamkeit nur vom Wichtigsten ab und charakterisirt unwillkürlich sein Verfahren

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_368.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2022)