Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
|
Rechtsordnung den einzelnen zugewiesene Stellung, den Rechtsanspruch und die Rechtspflicht, im weiteren Sinne die Rechtsordnung überhaupt bezeichnet. (Das Nähere bei Graff, zweiter Teil, S. 397; v. Richthofen, S. 994; v. Amira, Obligationenrecht, S. 55 ff.; Grimm, VIII. S. 364. Die weiteren Bezeichnungen bei v. Amira, II. 2. 3. 41.)
Das Wesen des alten Rechts charakterisirt v. Amira wie folgt: „Recht“, im Deutschen substantivirtes Verbaladjectiv, ist zunächst das „Gerichtete“, in gehöriger Richtung Befindliche, Gerade, nämlich das geordnete Lebensverhältniss, wovon das sogenannte subjective Recht ein Hauptbeispiel. Andererseits ist Recht die gerade „Richtung“ eines solchen Verhältnisses, weiterhin aber auch der Inbegriff aller so geordneten und „abgegrenzten“ Verhältnisse oder der richtigen „Lagen“ und insofern der Inbegriff aller Regel, die sich in diesem Anschaulichen äussert, oder das Recht im objectiven Sinn, daher endlich „das zu Beobachtende“. Noch in der älteren historischen Zeit erschien das Recht fast nur in der Anwendung und schien es daher dem Volk in soweit als das „Herkömmliche“ so, wie es allererst unter Blutsverwandten ist, wesswegen es auch mit der Sippe den Namen theilte. „Gemachtes“ Recht oder „gesetztes“, beschlossenes, gekorenes, vereinbartes in erheblicher Menge wurde erst durch wirthschaftliche, politische, religiöse Umwälzungen veranlasst. Und noch später blieb das Recht wenigstens zum grösseren Theil Gewohnheitsrecht, „Landlauf“, Brauch, Sitte.
Soweit man durch Kombination des analytisch Festgestellten Schlüsse ziehen kann, ergibt sich als Resultat dieser Untersuchung, einmal dass die Worte Friede und Recht aus getrennten Sprachwurzeln hervorgewachsen sind, sodann dass die Begriffe Friede und Recht sprachlich niemals als gleichbedeutend sich vorfinden. Mit Nothwendigkeit ergibt sich daraus, dass beiden Worten von ihrem ersten Vorkommen an eine verschiedene Bedeutung zu Grunde gelegen haben muss, denn der Sprachgebrauch ist ja, um ein bekanntes Wort zu gebrauchen, immer philosophisch.
Schon Lehmann[1] hat auf Grund der Nordgermanischen Rechtsquellen, die das Wort Friede für Recht schlechthin niemals anwenden, darauf hingewiesen, dass es demnach nicht zutreffend
- ↑ K. Lehmann, Der Königsfriede der Nordgermanen. 1886. S. 2. Note 1.
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_008.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)