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sei, wenn Wilda[1] und v. Amira[2] behaupten, Friede und Recht seien gleichbedeutend. Es gilt dies aber auch allgemein.

Nur scheint mir gegenüber der mehr philosophischen Construction des Begriffs Friede, beziehungsweise Recht durch Lehmann, auf Grund der Sprachgeschichte und Sprachvergleichung noch eine genauere Abgrenzung der Begriffe Friede und Recht möglich.

Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Begriff Friede und dem Begriff Recht von ihrem ersten Vorkommen an, entsprechend ihrer Entstammung von verschiedenen Wurzeln. Erinnert man sich an die oben angeführten Worte von Grimm, dass ein höherer Zusammenhang des Wortes „Friede“ mit frei und froh, in weiterer Ausdehnung Freude, Ruhe, nicht wohl geleugnet werden könne – so auch Wilda – vielleicht auch an die Versuche der Zurückführung des Wortes auf die Sanskritwurzel prî mit der Bedeutung placere, voluptate frui – so bei Graff[3] – so wird man nicht fehl gehen, auf seine ursprüngliche Bedeutung zu schliessen als „Zustand der Ruhe“, beziehungsweise „gegenseitige Schonung“. Gegensatz ist der Unfriede, der Friedensbruch, der Streit, der Krieg, der Kampf Aller gegen Alle. Dieser rein thatsächliche Zustand des Ruhens vom Kriege hat zum Hintergrund die thatsächliche Macht, sei es nun des Einzelnen oder schon von Mehreren. Scheint diese Macht dem sie Fürchtenden oder ihr schon Unterlegenen nicht mehr stark genug, so verlockt sie ihn zum Kampfe.

Daneben schafft der Zusammenschluss der Menschen zu Rechtsgemeinschaften bedingend und bedingt einen rechtlich geschützten Zustand. Die Störung desselben ist Unrecht, Rechtsbruch, Rechtsverletzung, Verbrechen. Als Stützpunkt dieses Zustandes dient der Rechtsgemeinschaft die Rechtsordnung, „die Ordnung“, beziehungsweise „die Befugniss“. Dies mag wohl die ursprüngliche Bedeutung der Worte, die unser heutiges „Recht“

  1. Wilda, Strafrecht der Germanen, S. 225, und im Rechtslexikon von Weiske VI S. 248.
  2. v. Amira, Das Altnorwegische Vollstreckungsverfahren, S. 2, und Nordgermanisches Obligationenrecht, I S. 141. Paul’s Grundriss II, 2, S. 41: Daher auch „Friede“, d. i. die gegenseitige „Schonung“ der Menschen, zu einem Namen des Rechtes wird.
  3. Graff, Althochdt. Sprachschatz III S. 783 vgl. mit S. 794.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_009.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)