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So gewiss wie die beiden grössten Geister, welche Florenz der Welt geschenkt hat, und die wie gewaltige Thürhüter an dem Ein- und Ausgange der grossen selbstherrlichen Epoche der Arnostadt stehen, Dante Aleghieri und Michel Angelo Buonarotti, bei aller zeitlich bedingten Verschiedenheit sich in ihrer geistigen Physiognomie, in ihrem tiefsinnigen Brüten über die letzten Fragen des menschlichen Seins bei aller fast das menschliche Mass überschreitenden Lebensenergie und künstlerischer Gestaltungskraft als die Söhne Einer Mutter ausweisen, so trägt auch die Gesammtgeschichte dieser Mutter selbst einen grossen einheitlichen Zug an sich. Und dieser lief darauf hinaus, die Fesseln, welche die mittelalterliche Cultur um die Europäische Menschheit geschlagen hatte, auf allen Lebensgebieten zu sprengen und die moderne Welt aus sich heraus zu setzen.

Einem so kleinen Staatswesen, wie Florenz war, und der Natur seiner örtlichen Bedingungen nach bleiben musste, konnte das selbstverständlich nicht auf allen Lebensgebieten gelingen. Aber es gibt kaum eine bedeutende Frage, welche die moderne Welt in Bewegung gesetzt hat, zu der nicht in der Florentinischen Geschichte ein Vorspiel vorhanden wäre. Auf dem Gebiete des politischen Lebens gibt es kaum eine Staatsform, zu der hier am Arno nicht eine analoge Erscheinung nachweisbar wäre. Allen diesen Entwicklungen aber musste der grosse Act der Loslösung aus den Banden der mittelalterlichen Feudalwelt vorausgehen, welchen wir in den Jahrzehnten, die wir zu erzählen begonnen haben, wenn auch nicht in allen seinen thatsächlichen Consequenzen, so doch im Principe vollständig sich vollziehen sehen.

Gleichzeitig mit dem Tode Kaiser Friedrich’s II. und dem Zusammenbruche der Reichsgewalt in Italien, welche trotz einzelner fast moderner Züge, die ihr letzter grosser Repräsentant an sich trägt, doch die festeste Stütze des feudalen, jeder geordneten Staatsgewalt widerstrebenden Adels gebildet hatte, war das Bürgerthum in Florenz siegreich auf dem Plane erschienen (1250). Der Volksrath (consiglio del popolo) löste den Rath der Stadtgemeinde (consiglio del comune), in dem der Adel noch seinen Platz behauptete, an Einfluss und Macht ab. Der Gegenschlag gegen diese erste siegreiche Erhebung des Bürgerstandes, des popolo vecchio, durch die bisher herrschenden Gewalten erfolgte

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_071.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)