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Der Director Sieyes, der, wenn man gewissen Leuten glauben soll, mit dem Helvetischen Ami des Loix in einer sehr ununterbrochenen Correspondenz steht, wird sich bei demselben sonder Zweifel in seinem nächsten Schreiben für den freundschaftlich warnenden Wink gar höflich bedanken.

Ich meinerseits finde mich durch die Stelle, die der Ami des Loix mir anzuweisen beliebt, ungemein geschmeichelt, und will ihm zum Dank eine kleine Geschichte erzählen. Die alte Zürcher Regierung hat vor 4 Jahren schon meine Verhältnisse mit Oelsner[1] gar sehr verdächtig gefunden. Dieser besuchte mich damals auf meinem kleinen Landhäuschen am Zürichersee und wir lebten einige der Freundschaft geweihte köstliche Herbstwochen zusammen. Mein Freund war nur wenige Tage bei mir, als wir eines Mittags vor einen der ehemaligen hochgeachten Herren Statthalter gerufen, und von diesem unterrichtet wurden: ,es wäre diesen Morgen in der Sitzung des geheimen Rathes von uns die Rede gewesen, und man wünsche zu wissen, was eigentlich Herr Oelsner bei mir thue; man könne nicht bergen, dass seine Ankunft aus Paris, die gerade mit der Ankunft verschiedener Ochsenhändler aus Schwaben zusammentreffe, dem geheimen Rathe sehr verdächtig vorkomme‘. Mein Freund, der von Contrebande und von Ochsenhandel ungefähr so viel verstund, als ich (und wer mich kennt, der weiss, wie ganz entsetzlich wenig das ist) konnte sich der gravitätischen Perücke, die vor uns über stund, unerachtet, nicht enthalten, laut aufzulachen, – und ich danke dem Himmel, dass unser damaliger Examinator einen der Grundsätze des Helvetischen Ami des Loix noch nicht kannte, in Kraft dessen, wer über eine absurde Zumuthung lacht, dadurch seine Schuld beweist; sonst würde ich es vergebens versucht haben, ihn zu überzeugen, dass mein Freund an der Ankunft der Ochsenhändler sehr unschuldig sei. Es gelang mir für eine Weile, aber am Ende ward es den gnädigen Herren doch zu lang, Oelsner musste Zürich verlassen; er hielt sich eine Weile in Bern auf; aber auch da war für den guten Mann kein langes Bleiben – und so vertrieben die ehemaligen Oligarchen ihren aufrichtigsten Freund, und liessen sich nicht träumen, dass er 4 Jahre

  1. „Oelsner hat seit 1789 beinahe immer in Paris gelebt, und eine Zeit lang die Interessen der Stadt Frankfurt daselbst besorgt. Er ist einer der geistvollsten und scharfsinnigsten Beobachter der Revolution. In den Jahrgängen 1792 und 93 der Minerva und in der Klio sind zahlreiche Briefe, die er aus Paris schrieb, abgedruckt, und überdem hat er in zwei besonderen Werken: Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen zur Geschichte der Französischen Revolution, seine Erfahrungen und Beobachtungen bekannt gemacht.“
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_375.jpg&oldid=- (Version vom 22.10.2022)