Seite:De DZfG 1891 05 378.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

als unmittelbare Fortsetzung der monumentalen Geschichte Palacký’s zugesagt. Dass auch nach dieser aufrichtigen Erklärung Gindely’s die entscheidenden wissenschaftlichen Kreise Böhmens im Laufe der langen zwölf Jahre keine Vorbereitungen trafen, um bei dem Landesarchive neben Prof. Gindely andere neue frische Kräfte zu fördern und zu gewinnen zur Weiterführung und Vollendung der neueren Böhm. Geschichte, würde uns als ein pures Rätsel erscheinen, wenn uns die Desorganisation der heimischen wissenschaftlichen Arbeit in Böhmen nach dem Tode Palacký’s nicht bekannt wäre. Diese Nachlässigkeit war desto schädlicher und verhängnissvoller, je grösser sich die Bedeutung der neueren Geschichte für die öffentlichen und culturellen Zwecke des Böhm. Volkes erweist. Der politische Umsturz, der in Böhmen durch die absolutistischen Neuerungen Ferdinand’s II., dem sein Ahne Ferdinand I. den Weg bahnte, und durch die centralisirenden Reformen Maria Theresiens und Josef’s II. geschah, hat den Zusammenhang mit dem früheren staatlichen und geistigen Leben des Böhm. Volkes unterbrochen und ein neu aufgewecktes Leben auf neue Grundlagen gestellt, auf welchen heutzutage um die Erhaltung und Förderung seiner nationalen Individualität gestrebt und gefochten wird.

Während die Deutsche histor. Literatur in Oesterreich für die neuere Geschichte der Böhm. Länder zahlreiche inhaltsvolle Quellenpublicationen und wissenschaftliche Bearbeitungen aufweist (d’Elvert, Hallwich, Chlumecký, Arneth etc.), herrscht in der Czechischen Historiographie für diese Zeit die tiefste Leere und Finsterniss, deren schädliche Wirkungen sich sowohl in der histor. Wissenschaft als auch in dem ganzen öffentlichen Leben von Tag zu Tag immer schroffer zeigen. Hyperreligiöse und hypernationale Schulen, deren Verfechter eine oberflächliche wissenschaftliche Ausbildung tragen, verbreiten indessen falsche Theorien und Anschauungen, erdichten ganze Reihen von histor. Legenden, begehen zahlreiche Fehler, ja oft sichtbare histor. Unwahrheiten. Ohne Berücksichtigung der analogen Entwicklung der neueren Ungarischen Geschichte, wo durch Erhaltung der alten politischen und religiösen Freiheiten das herrschende Magyarische Volk heutzutage immense materielle und culturelle Fortschritte macht, sucht in Böhmen eine historische Schule in der Niederlage der Böhm. Stände auf dem Weissen Berge ein besonderes Glück des Böhm. Volkes und in der gewaltthätigen katholischen Gegenreformation die zum neuen künftigen Wiederaufleben (!) nöthige Kräftigung. Ohne Berücksichtigung des grossen Fortschrittes, der sich mit dem Umsturz der herabgekommenen mittelalterlichen ständischen Verfassung und mit deren Ersetzung durch die neuen modernen Einrichtungen des

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_378.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)