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in dieser Schilderung [die an und für sich nach Ath. doch gründlicher Besserung bedarf] widerspricht manchen allgemein zugegebenen Seiten der Angelsächs. Verfassung deutlich: die Umtheilung des Erbes unter den Enkeln nach Absterben der Sohne, und unter den Urenkeln nach Absterben der Enkel; die Abgabe an den Häuptling (König) bei der Ehe; das Fehlen eines Wittums; das eheliche Güterrecht besonders bei der Scheidung; die Erhebung des Concubinats durch siebenjährige Dauer zur rechten Ehe; die Vollfreiheit der Kinder eines Minderfreien aus der Ehe mit einer von ihrer Sippe angetrauten Freien; der Mangel eines [dem Eorl entsprechenden] Adels zwischen Fürst und Haushaltsvorstand; die Aufnahme zugewanderter Flüchtlinge erst in das Recht Beschützter, später der Vollfreien u. s. w. Vieles von England Verschiedene übergeht Verf., wohl unabsichtlich, aus Mangel an Literaturkenntniss: den ganz anders abgestuften Friedensschutz, den der Walliser König bis herab zum Knecht ertheilt; die Busse des treulosen Gatten an die Frau; das Fehlen der Todesstrafe für die Ehebrecherin; die Vormundschaft durch mütterliche Verwandte u. v. a. Ausführlicher wünschte man die Landeintheilung, -Bewirthschaftung und -Grenzen vor der Angelsächs. Zeit festgestellt, weil hierin am ersten deutlich Vorgermanisches und Germanisches sich vergleichen liesse. Das Verhältniss des Bauern zum Gutsherrn und zu dessen Gericht schildert Verf. genau; da ergibt sich wohl Aehnlichkeit Engl. Zustände, aber keine Entlehnung. Aus Mangel an Kritik und philolog. Schulung benutzt Verf. fragwürdige Quellen und spielt mit der Etymologie [gegen beide Schwächen muss schon der Hrsg. in Einleitung und Anmerkungen protestiren. Ayve et trayve (avo et triavo) hänge z. B. mit trev, Kymr. Gesammtfamilie, zusammen!]. Er ahnt auch wenig von neuerer Rechtsgesch. und Rechtsvergleichung: durch einen Blick auch nur in Grimm’s RA hätte er sich überzeugt, dass auf seine Gründe hin ebenso gut wie Englands auch ganz Europas Brauch aus Wales geschöpft wäre, dass vielmehr das Verwandte nur gemeinschaftlicher Indogermanischer Quelle entfloss. Er kannte weder Deutsche Bücher noch die sie benutzende neueste Literatur Englands. Nicht aus Flüchtigkeit, sondern aus der irrigen Einbildung, Recht und Sprache der Angelsachsen besser zu verstehen als ihm vorliegende Erklärungen, geht eine Fülle gröbster Fehler hervor; z. B. „tha the bewitan“ bedeute „eum quem regit“, oder „bot“ [emendatio] sei „borg“, worauf Verf. dann leere Phantasien stützt. Durch künstliches Pressen liest er z. B. aus II Eadward 2 und II Cnut 73. 79, Folkland sei von der Hundertschaft verliehen und werde, gemäss Walliser Recht, zu erblichem Familieneigen durch Besitz Einer Generation und falle nur, wenn verlassen, dem Staate heim. Endlich hätte Verf. den zu vergleichenden Stoff Englands aus Denkmälern der Angelsachsen, allenfalls noch Urkk. des 12. Jahrh.s, und nicht Rechtsbüchern des 13. entnehmen sollen. Vom Walliser Recht leitet also der Verfasser ab: Englands Hundertschaft, Fronhof, Gutsgericht, Copyhold, Zehntschaft (= trev), Rechtsbürgschaft, Abgabe der Hörigen bei Heirath, Jury, Jüngstenerbrecht, so gut wie Gleichtheilung und Aeltesten-Erbrecht, Flächenmass u. v. a. Für die unteren Classen der Briten habe die Unterwerfung der regierenden unter den German. Eroberer kaum Verfassung und Bodenbesitz gestört. [Elton führt mit Recht dagegen an: dann hätte kein

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_449.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2023)