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Murrend empfing ihn das Volk, ja bei den Circusspielen, die Valens zur allgemeinen Beruhigung und Ablenkung hatte anstellen lassen, brach es in laute Schmähungen aus. Der feige, verwöhnte Pöbel der Hauptstadt hatte sich im Laufe der Zeit angemasst, bei politischen und religiösen Fragen seine höchsteigene Meinung kundzugeben und war nicht selten damit durchgedrungen. Er versuchte es auch diesmal, von den Nicänischen Priestern aufgehetzt: feig und weibisch schalt er den Kaiser und schrie prahlerisch nach Waffen.

Valens war aufs tiefste verletzt und gekränkt, er brauchte seine Truppen aber jetzt zu wichtigeren Dingen, als die verdiente Züchtigung auszutheilen: nur drohende Worte schleuderte er gegen das aufrührerische Volk und verliess schon am 11. Juni wieder die Stadt[1].

Das Heer suchte er auf jede Weise zu ermuthigen und für die kommenden schweren Aufgaben vorzubereiten: den Oberbefehl über das Fussvolk gab er an Sebastianus, der auch sofort mit seiner Reform begann. Aus ausgewählten Leuten schuf er sich eine kleine Kerntruppe, die leicht beweglich und unbedingt zuverlässig den Gothen im kleinen Krieg begegnen sollte[2].

Da es Gratianus’ Anmarsch abzuwarten galt, musste Valens vorläufig eine Vertheidigungsstellung einnehmen. Die eigentliche Vertheidigungsbasis, die grosse Balkankette, war längst verloren, aber wenig nördlich und nordwestlich von Adrianopel zieht ebenfalls westöstlich eine andere Gebirgskette, welche heute dort Ostrumelien vom Türkischen Gebiete trennt und auch jetzt noch grosse militärische Wichtigkeit besitzt. Ein bestimmter Name ist für diesen Gebirgszug nicht vorhanden, er verbindet das

    so lässt sich die Zeit des Abmarsches ungefähr berechnen. Der gewöhnliche Reisende brauchte, um diese Strecke zurückzulegen einen reichlichen Monat (Itin. Hieros. a. a. O.), und der Kaiser wird nicht viel weniger gebraucht haben, da es doch wahrscheinlich ist, dass er mit einer Heeresabtheilung marschirte. Demnach wird Valens um Ende April von Antiochia aufgebrochen sein.

  1. Zeit des Abmarsches: Socr. IV, 38; (fast. Idat.) z. J. 378. vgl. Amm. a. a. O. – Die Ereignisse in Constantinopel: Socr. a. a. O.; Sozom. VI, 39; Theoph. a. a. O.; Cedren. I S. 548 ed. Bonn. Gibbon a. a. O. Cap. 26 Sp. 876 betont ganz richtig die Wirkung dieser Vorgänge auf Valens’ Entschliessungen.
  2. Eunap. Frgm. 46. 47 (Zosim. IV, 22); Amm. 11, 1. 2.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_008.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)