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Angriff nicht durchgeführt werden und wurde abgeschlagen. In regelloser Flucht jagten auch hier die Reiter davon. Noch stand das Fussvolk, von jeher der Kern und Stolz des Römischen Heeres, fest und unerschütterlich und wies in guter Ordnung den Anprall der wild andringenden Gothischen Haufen ab. Endlich begannen auch bei ihm sich die Reihen zu lockern und zu lichten. Auf allen Seiten von den Gothischen Reitern überflügelt und im Rücken gefasst, strebte jeder bald nur sein eigenes Leben so theuer als möglich zu verkaufen. – Bis in den Einbruch der Nacht hatte man gestritten; jetzt stob auch der noch lebende Rest des Römischen Heeres in wilder Flucht auseinander[1].

Der Kaiser mochte wohl schon bei dem Weichen seiner Reiter gesehen haben, dass an einen Sieg oder auch nur an eine Wiederherstellung der Schlacht nicht zu denken sei. Dennoch hatte er muthig bis zuletzt bei den Fusstruppen ausgehalten. Als aber auch die letzten und besten Schaaren wankten, da warf er, alle Versuche zu seiner Rettung abweisend, verzweifelnd den kaiserlichen Purpur von sich und stürzte selbst in den vordersten Kampf. Von einem Pfeilschuss tödtlich getroffen, sank er nieder, und nie hat Jemand eine Spur von ihm gefunden.

An diesen Tod des Kaisers knüpft sich ein Märchen, auf das kurz einzugehen nöthig scheint, weil man dasselbe bisher mit wenigen Ausnahmen geglaubt hat[2].

Die besten, meist gleichzeitigen Berichte verschiedenster Richtung, der Rhetor Libanius, der Soldat und Historiker Ammianus, der Kirchenhistoriker Socrates lassen Valens in der

  1. Der vorzeitige Angriff der Römer steht fest nach Ammianus 12, 16. 17. Ebenso in der weiteren Entwicklung der Schlacht (Ammianus 13, 1–11) die schmähliche Flucht der Römischen Reiterei und zwar, wie aus Amm. 13, 2 (a reliquo equitatu desertum) hervorgeht, der Reiterei des rechten vorgeschobenen Flügels: Socr. VI, 38; Sozomenus VI, 40; Hieron. chron. z. J. 378 (Orosius VII, 33, 13). Ueber den Grund der Flucht urtheilt ähnlich wie oben Ranke, Weltgeschichte IV, 1 S. 162 A. – Man vergleiche die verschiedenen Urtheile über die Schuld an der Niederlage bei Libanius or. XXIII Reiske I S. 29 ff.; Zosimus IV, 24; Sozomenus VI, 40.
  2. Zu den Ausnahmen gehören nur Kaufmann, Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr. I S. 274 und Ranke, Weltgeschichte IV, 1 S. 163.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_018.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2023)