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je bedeutender der Handel an einem Orte war, desto mehr handelspolitische Bestimmungen werden in das betreffende Stadtrecht aufgenommen. Eine einfache Ackerstadt kann nicht ein solches Recht ausbilden, wie eine grosse Handelsstadt[1]. Der Handel und der Markt sind es gewesen, die ein neues Recht, das Stadt-, Weichbilds-, Burgrecht, einen neuen Stand, den der Bürger und Kaufleute – omnibus oppidi villanis mercandi potestatem concessimus, ut ipsi et eorum posteri sint mercatores[2] – schuf und das Dorfgericht, das Burding, in den meisten Fällen zum Stadtgericht, d. h. zum Grafschaftsgericht umwandelte.

Das Stadtrecht des Mittelalters hat sich überall entsprechend den localen Verhältnissen individuell entwickelt. Läge allen Stadtrechten allein ein einheitliches Marktrecht, das aus dem Fränkischen Königsrecht hervorgegangen ist, wie Sohm will (S. 15), zu Grunde, so wäre die grosse Verschiedenheit, die die Deutschen Stadtrechte zeigen, unerklärlich. Nimmt man an, dass die Grundlage der Stadtrechte das Landrecht und das locale Gewohnheitsrecht, das sich ja überall verschieden entwickelte, ist, macht man sich klar, dass in den einzelnen Städten und Stadtrechten der entstehende Handel mit seinen Normen auf ganz verschiedene Weise seine Einwirkung ausgeübt hat, so kann man sich die Mannigfaltigkeit der Deutschen Stadtrechte leicht erklären.

Sohm ist zu seinen Ausführungen über Burg- und Weichbildsrecht, mit denen alle seine weiteren Folgerungen stehen und fallen, veranlasst worden, weil ihn die Deutung Schröder’s von Weichbild als Ortsbild, die keinen für die Stadt eigenartigen Gedanken erkennen lasse, nicht befriedigte. Doch gibt die Erklärung Schröder’s hinreichend dieses Charakteristicum. Das Weichbild oder Ortsbild ist ein Abzeichen der Königsmacht. Es deutet an, dass der Ort, an dem es errichtet ist, den Frieden und den Bann des Königs geniesst, wie das ja auch die Bezeichnungen Friedekreis, Burgfriede, Stadtfriede andeuten. Das gemeinsame Charakteristicum aller Städte ist eben der Königsfriede, unter dem der Ort und dann auch die Einwohner stehen. Wer diesen Frieden bricht und so gegen den königlichen Bann handelt, bezahlt die Königsbusse von 60 solidi oder 60 scill. ausser der rechtmässigen Strafe, die ihn trifft. Wer an einem solchen befriedeten Orte sich niederlässt und Grundbesitz erwirbt, bezahlt dem königlichen Richter die Friedensabgabe, die Friedepfennige oder ein Quart Wein u. dgl. Ein Dorf ist auch ein Ort, wie ein Weichbild, aber es geniesst nicht Königsfrieden und besitzt auch nicht das Symbol

  1. Vgl. die Städte-Privilegien Otto’s des Kindes. Döbner a. a. O. Varges, Gerichtsverfassung von Braunschweig. 1890. S. 12.
  2. Privileg für Allensbach, ZGOberrh 5, S. 168.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_089.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)