Seite:De DZfG 1891 06 242.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

getheilt, und die Opposition Franz Baader’s gegen Hegel veranlasst ihn zu der nicht für grosse Vertrautheit mit ihren Systemen sprechenden Bemerkung, dass beide ja doch fast Einer Richtung seien, „nur in verschiedenen Irrgärten“[1]. Als daher Hegel’s Geschichtsphilosophie 1837 durch Gans veröffentlicht wurde, da mochte er dieselbe etwa mit dem gleichen Vorurtheile in die Hand nehmen wie Alexander v. Humboldt, welcher, spottsüchtig wie immer, gemuthmasst hatte, bei Hegel sei wohl alles geschehen, „damit erfüllet werde, was der Philosoph verheisst“[2]. Aber Ranke erkannte doch bald, dass die Vermischung von Abstraction und Erfahrung bei Hegel wesentlich anderer Natur war wie bei Fichte.

Zwar liess sich auch gegen Hegel einwenden, dass „der in der Welt erscheinende Geist nicht so begriffsgemässer Natur sei, wie es der Philosoph darstelle“. Niemals hatte jedoch Hegel den Anspruch erhoben, mit Hintansetzung aller Erfahrung auf dem Wege reiner Begriffsentwicklung eine Geschichte a priori der empirischen Geschichte entgegenzustellen. Ranke räumt daher jetzt bereitwillig ein, dass die philosophische Methode von dem berechtigten Bedürfniss nach universeller Anschauung ausgehe. Nur die Durchführbarkeit der Hegel’schen Dialektik gegenüber der Mannigfaltigkeit der historischen Erscheinungen bestreitet er und voll Entrüstung weist er die Vorstellung zurück, dass die Individuen den Zwecken des Weltgeistes aufgeopfert werden. Auf der anderen Seite aber macht er dem Systeme seinen pantheistischen Charakter zum Vorwurf. Denn er hat wohl bemerkt, dass die Selbstentwicklung des Begriffs bei Hegel im Grunde identisch ist mit der Selbstentwicklung Gottes. Die

  1. An Heinrich Ritter. Wien 28. October 1827 und 4. Januar 1828. Lebensgesch. 174 und 185. Trotz dieser und andrer Stellen behauptet Lorenz S. 53 Anm., dass in den Briefen an Ritter „über die philosophischen Fragen gar keine Andeutungen vorliegen“.
  2. An Varnhagen. 30. Mai 1837 a. a. O. S. 43: „Hegel’s geschichtliche Studien werden mich besonders interessiren, weil ich bisher ein wildes Vorurtheil gegen die Ansicht hege, dass die Völker ein jedes etwas repräsentiren müssen, dass alles geschehen sei, damit…“ Lorenz freilich meint S. 66, Alexander v. Humboldt habe „über den idealistischen Geschichtsversuch“ seines Bruders Wilhelm „das treffliche Wort gesagt, die Dinge in der Welt geschehen, damit erfüllt werde, was sich der Philosoph darüber ausgedacht hat“!
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_242.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)