Seite:De DZfG 1892 07 037.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eine Richtung, die der Klosterreform in Schwaben zu Gute kommen musste auch da, wo nicht, wie z. B. in Einsiedeln über der Hütte des h. Meinrad[WS 1], die Reform von fremder Hand ins Land getragen ward[1].

Abgeneigt war man der Reform anfangs in Baiern und Sachsen. Und während Baiern schliesslich zögernd den Impulsen von Westen her folgte[2], beharrten in Sachsen führende Geister noch bis späthin im Versagen: wie Widukind sich schon abschätzig über die Mainzer Bestrebungen Friedrichs I. äusserte, so hat Thietmar von Merseburg wiederholt seine Missbilligung des geistigen Lebens in den reformirten Klöstern bezeugt[3].

Nicht völlig mit Unrecht. Denn die volksthümlichen Formen der Askese, an sich grobsinnlich, massiv, darum schwer lastend auf Gemüth und Körper, waren in den Klöstern vielfach zu verfeinerter Peinigung und ungesund erregtem Seelenleben gesteigert worden.

Vor der Reform hatte unter den Mönchen vielfach ein glückliches Gemeinschaftsleben von harmloser Fröhlichkeit geherrscht. Die Regel wurde so genau nicht genommen. In St. Gallen, dessen Zustand wir aus den fesselnden Schilderungen seiner Klosterchronik am besten kennen, fand man z. B., dass man an Fasttagen neben Fischen ebensogut Vögel geniessen könne, denn in mancher Beziehung hätten Vögel, verglichen mit anderen Thieren, doch viel Aehnlichkeit mit Fischen.

Diese heitere, lebensfreudige Sinnlichkeit verschwand nun. An Stelle naiver Bewunderung und unbeirrten Genusses der schönen Aussenwelt trat der Zweifel über die Berechtigung solcher Gefühle. Auch dem gesellschaftlichen Verkehr suchte man sich zu entziehen. Es galt nicht mehr als genügend, sich im Fasten der Speise, im Nachtwachen des Schlafes zu enthalten; auch die höheren menschlichen Vortheile des Daseins versagte man sich, im Gebote des Schweigens verzichtete man auf Meinungsaustausch, im Gebote der Geduld auf die Aeusserungen des Willens, im Gebote der Demuth auf das Recht des Selbstbewusstseins.

Und all das in wolllüstig schroffer, unbeugsamer Weise.

  1. Vgl. Odilo Ringholz O.S.B, in den Stud. u. Mitth. aus dem Benedict.-Cisterz.-Orden 1 (1886), S. 50–79; 269–292.
  2. Vgl. Vita Wolfkangi c. 15, s. auch 22.
  3. Vgl. Thietm. VI, c. 15; VII, 10, vgl. auch VIII, 4. Auch in Lothringen gab es eine Gegenpartei: Alp. de div. temp. I, c. 16.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. H. Meinrad (* um 797 bei Rottenburg (Württemberg); † 21. Januar 861 in Einsiedeln) war ein Eremit, auf den die Gründung des Klosters Einsiedeln zurückgeht.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_037.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)