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Leib und Leben zu strafen, unterliess er[1] trotz der Befehle seines Augustus und seiner sonst immer bewährten Fügsamkeit. Constantin eröffnete seine Regierung damit, dass er in seinem Reichstheil den Christen volle Toleranz gewährte[2]. Doch blieb er selbst einstweilen noch dem alten Glauben treu[3], bis das berühmte Traumgesicht und die ihm folgende Schlacht an der Milvischen Brücke ihn völlig bekehrten.

So weit es ihm seine Herrscherpflicht gestattete, hat er sich seitdem stets als treuen Sohn der Kirche bewährt und nie den Versuch gemacht, sich zum Herrn derselben aufzuschwingen, obgleich ihm dies leicht genug geworden wäre. Die Bischöfe waren durch die lange Verfolgung so mürbe gemacht, dass sie um den Preis gesetzlicher Duldung jeden Eingriff des Kaisers ertragen hätten; ja als sie dessen freundliche Gesinnung sahen, forderten sie seine Einmischung in die innern Angelegenheiten der Kirche sogar selbst heraus. Nach der streitigen Bischofswahl in Karthago, welche zu dem Donatistischen Schisma Anlass gab, führte die unterlegene Partei bei Constantin Klage, und auch ihre Gegner wagten seinen Richterspruch nicht zurückzuweisen[4]. Aber der weltliche Herrscher hielt sich strenger an die Satzungen des geistlichen Rechts als dessen berufene Vertreter und wies die Entscheidung einer Synode zu. Wieder appellirten die Donatisten an ihn, und wieder berief er eine zweite grössere Synode, welche den Spruch der ersten prüfen sollte. Erst als zum dritten Male seine Macht angerufen wurde, griff er persönlich in den Streit ein, aber nur um die Beschlüsse der beiden Synoden einfach zu bestätigen. Es galt bei den Christen damaliger Zeit für sündlich, wenn Mitglieder der Gemeinde gegen einander vor den Vertretern der Staatsgewalt Processe führten. Aus diesem Grunde verlieh Constantin den Bischöfen die Befugnisse von Civilrichtern und untersagte jede Appellation von ihren Entscheidungen

  1. Lact. de mort. pers. 15. Anders Euseb. hist. eccl. VIII 13, 13; append. 4; vit. Const. I 13.
  2. Lact. de mort. pers. 24; divin. inst. I 1, 13. Die zuletzt angeführte Stelle ist zwar ein Einschiebsel, aber ein solches, das Lactanz selbst bei der zweiten Ausgabe seines Werkes gemacht hat. In dieser Ueberzeugung hat mich Brandt (Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1889 u. 1890) nur befestigt.
  3. Eumen. paneg. VII 21.
  4. Quellen und Urkunden über die Anfänge des Donatismus. Zeitschr. f. Kirchengesch. X S. 504.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_097.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)