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sehen mochte, soll für den Kaisersohn gewühlt haben[1]. Als dieser, nachdem er eine Zeitlang das Sterbehaus seines Vaters nicht verlassen hatte, den ersten Ausritt wagte, warfen ihm die Soldaten, sobald sie ihn erblickten, ein Purpurgewand über[2] und begrüssten ihn mit dem Augustustitel[3]. Wahrscheinlich war es nicht Verstellung, wenn er seinem Rosse die Sporen gab und dem Andrang der Menge zu entfliehen versuchte[4]; der verfrühte Ausbruch ihrer Loyalität mochte ihm wirklich unbequem sein. Aber da das Geschehene nicht ungeschehen zu machen war, blieb ihm nichts weiter übrig, als auch darüber an Galerius zu berichten und dessen Anerkennung zu erbitten. Bis der Bescheid des Augustus kam, traf er schnell und energisch seine Vorkehrungen, um sich für alle Fälle den Besitz von Gallien und Spanien zu sichern. Ein Frankeneinfall gewährte ihm den willkommenen Anlass, sein Heer auf’s Festland zurückzuführen und der neugewonnenen Krone sogleich im Kampfe gegen den barbarischen Landesfeind ihre erste Weihe zu geben[5]. Nach einem raschen und glänzenden Siege liess er die Truppen in Gallien ihre Quartiere aufschlagen und begab sich selbst in den Süden der Diöcese, um in nächster Nähe der Alpenpässe die Nachrichten aus dem Osten schnell empfangen zu können und für jede Eventualität vorbereitet zu sein[6].

Dass der Tod des kränklichen Constantius in nicht zu langer Zeit eintreten werde, hatte Galerius erwartet und schon einen Nachfolger bereit gehabt. Es war dies Licinianus Licinius, sein alter Freund und Kampfgenosse, der ihm im Perserkriege wesentliche

  1. Vict. epit. 41, 3.
  2. Eumen. paneg. VII 8.
  3. Eumen. paneg. VI 5; Lact. de mort. pers. 25. Dass Constantin zum Caesar ausgerufen sei, beruht nur auf späteren und ungenauen Nachrichten. Anon. Vales. 2, 4; Zos. II 9, 1.
  4. Eumen. paneg. VII 8. Wäre es seine Absicht gewesen, von den Truppen zum Kaiser ausgerufen zu werden, so hätte er sich ihnen doch wohl feierlich auf dem Suggestus vorgestellt und durch zweideutige Reden auf sie einzuwirken gesucht. Wie das zu machen war, zeigt das Beispiel Galbas. Dass er bei seinem ersten öffentlichen Erscheinen einfach durch die Soldaten hinritt, sich ihnen also in einer Situation zeigte, die zum Ueberwerfen des Purpurs und den sonstigen Ceremonien so ungeeignet wie möglich war, spricht entschieden gegen ehrgeizige Absichten.
  5. Eumen. paneg. VI 4; VII 10; Nazar. paneg. X 16; Eutrop. X 3, 2.
  6. Zeitschr. f. Numismatik XVII S. 48.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_105.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)