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gefälschten Briefen übereinstimmt und von der durch Estrades eingeleiteten Verbindung Richelieu’s mit den Schotten nichts weiss. Er hat seine Angaben von einer „noble family“. Dies könnte die Familie des Grafen d’Estrades sein, mit dem Temple oft, in Aachen, im Haag und auf dem Congresse zu Nymwegen in Verkehr gestanden hat. Aber der Name des Grafen wird nicht genannt; überdies bringt Estrades bei Temple a. a. O. dem Cardinal Richelieu persönlich die Antwort des Englischen Königs, was eine Abweichung von den Lettres ist. Er mag also die Tradition aus zweiter Hand erhalten haben.

Mme. de Motteville hat von Estrades selbst Kenntniss vom Inhalte der Lettres erhalten, Wicquefort und Temple haben entweder Estrades selbst zum Gewährsmann oder aus einer ihm nahe stehenden Quelle geschöpft; der bekannte Genealogist Clairambault hat die Briefe in einem Inventar verzeichnet und wahrscheinlich selbst bei dem Grafen gesehen[1]: wird noch jemand zweifeln, dass die Fälschung von Estrades selbst ausgegangen ist?

Zweck der Fälschung ist die Selbstverherrlichung des eitlen Estrades[2]. Die Instruction Richelieu’s an Estrades für seine Sendung nach London hebt an: „La confiance que j’ai dans la capacité, fidélité et affection de Mr. le comte d’Estrades – – –“. Estrades hatte überhaupt keine Proben seiner diplomatischen Fähigkeit an den Tag legen können, da er bis jetzt nur im Feldlager, in untergeordneter Stellung, gedient hatte. Aber der grosse Staatsmann soll in Estrades, seinem ehemaligen Pagen[3], das diplomatische Genie natürlich erkannt haben, ehe er sich überhaupt bewährte. In dem folgenden Briefe erzählt Estrades von der Gesandtschaft beim Englischen Königshofe: hier ist alles aus einem unfreiwilligen Aufenthalt, den Estr. – auf seiner ersten diplomatischen Sendung nach dem Haag begriffen – vom Sturme verschlagen in London nehmen musste, herausgesponnen. Darauf lässt Estrades (seinen Lettres nach), zur Belohnung für den Erfolg seines Londoner Aufenthalts sich nach dem Haag schicken. Seine Mission im Haag ist, seinen Briefen nach zu urtheilen, eine diplomatische Ruhmesthat gewesen; nach den authentischen, bisher zu wenig beachteten, Actenstücken bei Avenel a. a. O. VIII p. 325 f. ein Misserfolg. Estrades ist vom Januar bis April 1638 zwischen dem Haag und Ruel, der Residenz Richelieu’s, hin- und hergeschickt worden. Richelieu ist mit dem Erfolge seiner Sendung wenig zufrieden gewesen (man sehe die ungnädige Instruction bei Avenel VIII p. 327). Es glückte dem Grafen d’Estrades

  1. Avenel a. a. O. V p. 885 f.
  2. Ein sehr charakteristischer Zug hierfür bei Goll, RH IV p. 2871. Auch Temple deutet etwas Aehnliches in seinen Memoiren an.
  3. Avenel VIII p. 134.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_150.jpg&oldid=- (Version vom 5.2.2023)