Seite:De DZfG 1892 07 296.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er, wenn auch nicht die Macht, so doch das nackte Leben retten, das ihm bei einem Siege Constantin’s verfallen schien. Aber schon stand dieser auch vor Marseille und im ersten Ansturm bemächtigte er sich des Hafens, wodurch für ihn die dringendste Gefahr abgewandt war. Auch die Mauern der Stadt selbst versuchten seine Truppen sogleich zu ersteigen, doch erwiesen sich die mitgebrachten Sturmleitern als zu kurz für ihre Höhe[1].

So liess denn Constantin zum Rückzug blasen. Eine Stadt seines eigenen Reiches dem Unheil preiszugeben, das eine Einnahme mit stürmender Hand ihr bereiten musste, wäre ihm selbst nicht lieb gewesen[2]. Maximian wurde zu Verhandlungen eingeladen und von der Mauer herab redete er mit seinem untenstehenden Schwiegersohn. Den Versprechungen desselben wollte der heftige Greis, welcher selbst so oft die Treue gebrochen hatte, nicht Glauben schenken, und die Unterredung schien ergebnisslos bleiben zu wollen. Da öffneten die abgefallenen Soldaten, welche bei dem Anblick ihres Kaisers schnell von Reue erfasst waren, selbst die Thore, und ungehindert drang das Heer Constantin’s hinein. Maximian wurde als Gefangener vor den Sieger geschleppt, und dieser schenkte ihm grossmüthig sein verwirktes Leben[3].

Kurze Zeit darauf fand man ihn in einem Gemache des Palastes erhängt[4]. Die Verantwortung für seinen Tod lehnte Constantin ab[5], aber schon damals haben ihm weder Freund noch Feind Glauben geschenkt. Wer ohne Erfolg nach der Krone gegriffen hatte, der musste den Versuch mit seinem Kopfe bezahlen. Dieser Satz galt den Zeitgenossen für so selbstverständlich und ausnahmslos, dass sie die officiell verbreitete Nachricht, Maximian habe freiwillig seinem Leben ein Ende gemacht, nur mit ungläubigem Kopfschütteln aufnehmen konnten. Nichtsdestoweniger haben sie Constantin von jedem moralischen Verschulden

  1. Eumen. Paneg. VII, 19.
  2. Eumen. Paneg. VII, 20.
  3. Lact. de mort. pers. 29.
  4. Lact. de mort. pers. 30; Vict. epit. 40, 5; Zon. XII, 33; Euseb. hist. eccl. VIII, 13, 15; append. 3; vita Const. I, 47.
  5. Eumen. Paneg. VII, 20: sibi imputet, quisquis uti noluit beneficio tuo nec se dignum vita iudicavit, cum per te liceret, ut viveret. Der Lobredner gibt natürlich die officielle Auffassung wieder, welche Constantin selbst vertrat.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_296.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)