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Der Herbst hatte schon begonnen, und wie es scheint, beabsichtigte Licinius den Feldzug erst im folgenden Frühling anzutreten. Er wurde daher vollkommen überrascht, als Constantin plötzlich diesseit der Alpen erschien und die Save abwärts auf die Garnisonen der Donaulinie losmarschierte. Trotzdem gelang es ihm noch bei Cibalae, dem heutigen Vinkovcze, südöstlich von Vukovar, eine Macht von 35 000 Mann zu concentriren, sehr wenig im Vergleich zu dem, was er bei längerer Frist hätte aufbieten können, sehr viel im Vergleich zu dem Häuflein seines Gegners[1]. Aber wie schwach dieser war, wusste Licinius wohl kaum; er hatte daher eine Stellung gewählt, die mehr darauf berechnet war, jenen aufzuhalten, als zu schlagen[2]. Der Weg, auf welchem Constantin heranzog, führte unmittelbar vor Cibalae zwischen Sumpf und Berg durch ein Defilée von noch nicht einem Kilometer Breite. Gleich dahinter dehnte sich am Fusse des Bergrückens, den die Stadt krönte, eine weite Ebene aus, und hier hatte Licinius sein Lager geschlagen. Indem er vor demselben, mit der rechten Flanke an den Höhenzug gelehnt, Stellung nahm, gewährte er Constantin nicht den Raum, sein Heer, wenn es aus der Enge hervorgetreten war, ungestört zu entwickeln. Ein vorsichtiger Feldherr hätte also stehen bleiben oder auf weiten Umwegen die Stellung des Feindes umgehen müssen; beides aber hätte diesem die Zeit gewährt, sein ohnehin überlegenes Heer noch bedeutend zu verstärken. So beschloss denn Constantin, auch unter diesen ungünstigen Bedingungen eine Schlacht zu wagen.

Am 8. October 314[3] brach er vor Tagesanbruch[4] mit der Reiterei aus dem Defilée hervor und überrannte den rechten Flügel des Licinius. Dadurch schaffte er sich Luft, um am Fuss der Berge seine Schlachtordnung in der Flanke des Gegners zu entfalten. In der Zeit, welche damit verloren wurde, konnte aber auch dieser seine Front wechseln, und während er vorher senkrecht auf dem Höhenzuge gestanden hatte, sich jetzt parallel demselben Constantin gegenüber aufstellen. Das Zeichen zum Angriff wurde gegeben und es entspann sich ein Kampf, der

  1. Anon. Vales. 5, 16; Eutrop. X, 5.
  2. Die Schilderung des Geländes und der ganzen Schlacht gibt Zos. II, 18.
  3. Das Datum bei Hydat. fast. 314.
  4. Vict. epit. 41, 5: nocte.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_341.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)