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zurückgekehrt, welche man ohne Vorlage an die Collegien und den Geheimerath durch den König unterschreiben liess (vgl. was Charl. Dor. Biehl dieserhalb mittheilt, in der Dän. Histor. Tidsskr. III. R. 5. Bd., S. 289). Mag ja sein, dass ein anderer Weg des Vorgehens unmöglich war, wenn man nicht wagte, den König als unzurechnungsfähig zu bezeichnen und zu behandeln; aber dann durfte auch Struensee nicht als unberechtigte Usurpirung der Staatsgewalt ausgelegt werden, dass er im Namen des Königs fortregierte, so lange es ihm gelang, diesen zur Unterschrift der ihm vorgelegten Cabinetsbefehle zu bestimmen, zumal da er sich dabei im vollsten Einverständniss mit der Königin befand. Zu beachten ist auch noch ein anderer Umstand. König Christian VII. hatte einerseits schon von früher Jugend an Spuren eines nicht normalen Zustandes gezeigt, andererseits aber doch lange Zeit soviel Herrschaft über sich bewahrt, dass er sich als vollkommen verständiger und selbst wohlveranlagter Mann geben konnte; erst durch masslose Ausschweifungen war er allmählig soweit herabgekommen, dass er für zurechnungsfähig nicht mehr gelten konnte. In welchem Zeitpunkte soll nun die Regierungsunfähigkeit desselben eingetreten sein, und konnte man Struensee strafrechtlich dafür haftbar machen, wenn er den psychiatrisch richtigen Moment der beginnenden Unzurechnungsfähigkeit nicht erkannte? Man mag es missbilligen, aber man kann schwerlich dem Manne ein Verbrechen daraus machen, wenn er, nachdem einmal, wie der Verfasser S. 263 zugibt, auf des Königs eigenes dringendes Begehren das Conseil aufgehoben worden war, sich nun auch fernerhin ohne dieses zu behelfen suchte, obwohl der König immer mehr der geistigen Umnachtung verfiel, und es liess sich hierfür sogar die Erwägung geltend machen, dass der Geheimerath, in welchem des Königs Halbbruder und durch ihn dessen ebenso gewissenlose als herrschsüchtige Mutter die Hauptrolle zu spielen hatte, den Interessen des Landes sowohl als des unglücklichen Königs in hohem Grade gefährlich werden konnte. Eine ganze andere Frage ist natürlich die nach der politischen Correctheit und Zweckmässigkeit der Regierungshandlungen Struensee’s, bezüglich deren Legalität dieser durch des Königs Unterschrift gedeckt war. Nach dieser Seite hin lässt sich ja nicht verkennen, dass derselbe mit jugendlichem Leichtsinn, ohne jede Kenntniss von Land und Leuten, sowie ohne alle Schonung bestehender Gefühle und Anschauungen, überstürzt und unbesonnen daranging, den Dänischen Staat im Sinne der damaligen Aufklärung zu reformiren. Aber andererseits ist doch auch nicht zu bestreiten, dass sein Wille gut und dass auch seine Ziele im Ganzen richtig waren, wenn auch, zumal in religiöser Beziehung, manche Schiefheit mit unterlief, und vielfach die Zeit für deren Durchführung

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_419.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)