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Naturbetrachtung, welche auf Schritt und Tritt mit dem Wunder zu hantiren gewohnt war, dürfen wir nicht vergessen, dass ihre Ergebnisse jenen Generationen als Wissenschaft galten, dass insbesondere die Astrologie schon durch die Umständlichkeit und scheinbare Genauigkeit ihrer Berechnungen den Eindruck strengster Wissenschaftlichkeit zu erwecken vermochte. So lässt sich, indem wir in den äusserlich noch der kirchlichen Weltanschauung unterworfenen Zeiten auf astrologische Erklärung des geschichtlichen Lebens stossen, eine gewisse Parallele mit den Bemühungen des modernen Positivismus um die Geschichte und ihre Gesetze kaum von der Hand weisen. Wünschte auch die Naturwissenschaft des späteren Mittelalters in der Regel mit der Kirche Fühlung zu behalten, so widersprach doch eben ihre Anwendung auf das traditionelle Geschichtsbild, wie es seit den grossen Kirchenvätern eine fast geheiligte Gestalt gewonnen hatte, unbedingt dem innersten Wesen des herrschenden Glaubens. Schon der Versuch, jene durchaus transcendentale Eintheilung des geschichtlichen Stoffs nach Weltaltern und Weltmonarchien durch eine kosmische, den Regionen der Gestirne entnommene Periodisirung zu ersetzen, führte über die Grenzen der kirchlich erlaubten Speculation hinaus, wie denn der Ursprung solcher Ideen auch keineswegs innerhalb der christlichen Welt zu suchen ist.

Das Griechische Alterthum hatte eine naturalistische Betrachtung des Völkerlebens angebahnt, welche dem Mittelalter wieder verloren ging und erst auf die klassisch gebildeten Geister der Hochrenaissance von Neuem zu wirken anfing[1]. Als der eigentliche Pfadfinder dieser Rückkehr zum antiken Naturalismus wird mit Recht Macchiavelli bezeichnet. Er bricht vollständig mit dem theologischen System der vier Weltmonarchien, beginnt die neuere Geschichte mit der Völkerwanderung und

    S. Günther, Ziele u. Resultate der math. histor. Forschung (Erl. 1876) p. 124 ff.; A. Häbler, Astrologie im Alterthum (Jahresbericht des Gymn. zu Zwickau 1878/79); L. Mabilleau, Etude hist. sur la philosophie de la renaissance en Italie (Paris 1887), p. 246 ff. („L’idée maîtresse qui sert de principe à cette science illusoire est profondément et vraiment philosophique“.)

  1. Vgl. R. Poehlmann, Hellen. Anschauungen über den Zusammenhang zwischen Natur und Geschichte, Leipzig 1879; G. Ellinger, Die antiken Quellen der Staatslehre Macchiavelli’s (Zeitschr. für die gesammte Staatswissenschaft XLIV, 1888).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_030.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)