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flüchtigen Ueberblick über die letzten Jahrhunderte, wobei der leichtfertige Geschichtschreiber Kaiser Friedrich II. 33 Regierungsjahre zumisst und Ludwig den Baiern die Krone von den „Römischen Päpsten“ erlangen lässt, verlegt sich Trithemius aufs Prophezeien, und zwar mit einem beinahe verdächtigen Glück. Denn er erklärt mit grosser Bestimmtheit, dass noch vor dem Jahr 1525 eine gewaltige neue Secte erstehen und die alten Religionen zerstören werde; wie unter der ersten Regierung des Mars die Sündfluth, unter der zweiten die Zerstörung Trojas eingetreten ist, so „wird diese dritte Revolution des Mars nicht vollendet werden ohne Prophetie und Stiftung einer neuen Religion“[1].

Der geheimnissvolle Ton, in welchem diese Prophezeiung vorgetragen wird, die Andeutung, dass vielleicht das vierte Thier (Daniel VII, 7 ff.) ein Haupt verlieren werde, versetzen uns in mittelalterliche Luft zurück, während im Uebrigen die Geschichtsphilosophie des unzuverlässigen Polyhistors durchaus der Renaissance angehört. Wer von den vier Weltmonarchien und von der christlichen Aera absieht, in der Urzeit dem Heidenthum gleich viel oder mehr Platz einräumt als dem auserwählten Volk, wer den ersten Menschen ein thierisch rohes Dasein zuschreibt, weder das Paradies als Anfang noch den Antichrist als Schluss des geschichtlichen Verlaufs erwähnt, der kehrt doch weit entschiedener als etwa Ailli sich von der alten kirchlichen Weltanschauung ab und man begreift jene vorsichtige Schlusswendung des Verfassers vollkommen. Woher freilich Trithemius seine auch von der landläufigen Astrologie abweichende Theorie genommen hat, wüsste ich nicht zu sagen; ich vermuthe, dass sie wesentlich das

  1. „Circa finem huius 3. revolutionis Samaelis altercationis imago transibit ad primum et erit perditio multorum. Nisi enim Y reducatur deo ministrante ad ἀλφα [Ed. Colon, p. 59: ,algos‘], erit alicuius monarchiae vel magni alicuius translatio regni; secta religionis consurget magna, veterum destructio religionum. Timendum, ne caput unum amittat bestia quarta. – – – Non consummabitur Martis hec tertia revolutio sine prophetia et novae alicuius institutionis [!] religionis“ (fol. B IV a). Es folgen nach der Erwähnung der Kreuzzeichen und ihrer Deutung auf das Jahr 1525 noch ein paar ganz unverständliche (vielleicht auch verderbte) Sätze. Diese ganze Prophezeiung macht den Eindruck einer Interpolation, doch liesse sich hierüber erst nach Herstellung des Textes mit Sicherheit urtheilen. Die Aufführung einer Leipziger Ausgabe von 1516 bei Schneegans p. 180 scheint auf einem Versehen zu beruhen.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_071.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)