Seite:De DZfG 1892 08 163.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wissenschaftlicher Ausbildung auf Regierungskosten ins Ausland zu schicken, besonders aber durch die stetigen Berufungen ausländischer Gelehrten, meistens Deutscher, auf die Lehrstühle der Russischen Universitäten hat Europäische Wissenschaft und Universitätsbildung einen höchst bedeutenden Antheil an der „Europäisirung Russlands“ genommen[1]. Die historischen Studien werden jetzt an den historisch-philologischen Facultäten getrieben, welche mit den philosophischen Facultäten der Deutschen Universitäten, nach Ausscheidung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer vergleichbar sind: Jede historisch-philologische Facultät zerfällt in vier Sectionen: eine classische, eine Slavisch-Russische, eine historische und eine Rom.-Germanische (die letztere vorläufig nur an der Petersburger Universität). Obligatorische Vorlesungen für die Staatsprüfungen an der historisch-philologischen Facultät sind: Griech. und Latein. Sprache, alte Gesch. des Orients, allgem. Weltgesch., Kirchengesch., Gesch. der Slav. Völker, Gesch. der neuen Philosophie und Gesch. Russlands. Wie beträchtlich der Procentsatz der Docenten für histor. Vorlesungen im weiteren Sinne (einschliesslich Literatur-, Kirchen- und Kunstgeschichte) ist, kann man daraus ersehen[2], dass sich in Petersburg von 58 überhaupt vorhandenen Lehrkräften der hist.-philos. Facultät 27 an histor. Studien betheiligten, in Moskau 24 von 55, in Kiev 12 von 22, insgesammt an diesen drei bedeutendsten Russischen Universitäten also 63 von 135 oder nahezu die Hälfte. – Nur für allg. Weltgeschichte und Geschichte Russlands sind an den sechs Universitäten Petersburg, Moskau, Kiev, Kazanj, Charjkov und Odessa 17 ordentl. Professoren, 2 ausserord., 21 Privatdoc. und 11 Docentur-Candidaten angestellt, zusammen 51, von denen 40 schon thätig sind und 11 nach Ablauf eines bestimmten Termins ihre Lehrthätigkeit beginnen werden. Von diesen 51 Lehrkräften widmen sich 29 der allg. Weltgesch. und 22 der Geschichte Russlands[3].

Die ersten Regungen einer wissenschaftlichen Geschichtsforschung kamen von Westen her, und hauptsächlich von Deutschland. Die kurz nach Peter’s Tode im J. 1726 gegründete Akademie der Wissenschaften (Akademija Nauk), deren Mitglieder fast ausschliesslich

  1. Vgl. das inhaltreiche und grundlegende Werk von Prof. A. G. Brückner: Die Europäisirung Russlands. Land und Volk. Gotha 1888.– Vgl. auch Suchomlinov, Geschichte der Russischen Akademie (russ.). Petersburg (1887 vollendet).
  2. Die folgenden Angaben entnehme ich den officiellen Berichten. Vgl. Zeitschr. d. Unterr.-Minist. (russ.) 1892, Mai. pag. 51–55.
  3. Siehe die Berichte in der Zeitschrift des Unterrichtsministeriums (russ.) 1891, April. – Vgl. „Istoričeskoe Obozrěnie“ III (1891), S. 174.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_163.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2023)