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über die Annahme, „dass der bäuerliche Stand, sowie Unterthänig- und Eigenbehörigkeit aufgelöst werde, das Recht der Selbstvertretung gewinnen könne“. „Die Gestattung der letzteren ist vielmehr eine wahre Ungerechtigkeit gegen die Gutsbesitzer, indem man ihnen etwas von ihrer Eigenschaft Unzertrennliches nimmt, um es dem Dritten beizulegen, der es nie hatte noch haben konnte, und es entsteht daraus leicht, was nach Teutscher und Brandenburgischer Verfassung nie denkbar war, nämlich, dass, wie wir es schon in der letzten repräsentirenden Landesversammlung[1] erlebt haben, der bäuerliche Stand, wann er sich mit den Städten vereinigt, in der Abstimmung das Uebergewicht über seine Gutsherren davonträgt“. Sein Namensvetter, der Staatsminister von Voss-Buch, Stein’s alter Gegner, war vorsichtiger. Er wollte dem bäuerlichen Grundbesitzer die Vertretung nicht ganz versagen und gab zu, dass „eine Constitution für den Staat nach dem sich entwickelnden Geiste der Zeit und für die Möglichkeit, dass doch in später Zukunft einmal irgend ein Regent demselben nicht entsprechen könne, allerdings wünschenswerth und fast unvermeidlich sei“. Auch machte er bereits Vorschläge über die Zusammensetzung künftiger Reichsstände aus zwei Kammern, deren oberste mit ihren Standesherren, Majoratsherren, Bischöfen „die Opposition der unteren mildern, gewissermassen vermittelnd zwischen Volk und Thron treten“, sowie zum mindesten ein Recht des Veto bei Gesetzgebung und Steuerforderung haben sollte. Aber die Reichsstände sollten „keineswegs bereits constituirt“, höchstens „nur angekündigt werden“. Vielmehr müsse die Ständeverfassung zuerst mit den Provinzial- und Kreisständen beginnen und selbst über deren Zusammensetzung rieth er sehr, zuvörderst „die Ueberbleibsel der alten Stände“ zu hören. Gerade dies werde Vertrauen erregen und am sichersten, z. B. wegen Repräsentation des Bauernstandes, zum Zweck führen. Wie man sieht, dachte er: „Zeit gewonnen ist Alles gewonnen“. Aehnlich verfuhr der

  1. Anspielung auf die sog. interimistische Landesrepräsentation 1812 bis 1815. Vgl. meine darauf bezügliche Studie in den „Abhandlungen und Actenstücken zur Geschichte der Preussischen Reformzeit“. Leipzig 1885. Im Widerspruch zu Herrn von Voss meinte der Stadtsyndikus Paul in Potsdam, bei der interimistischen Nationalrepräsentation hätten zwar die Städte für die Bauern, aber diese gegen die Städte gewirkt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_077.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)