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Landrath von Rochow auf Golzow bei Brandenburg; „Ohne zuvorige Berathung mit den Ständen möchte wohl eine dem beabsichtigten hohen Zwecke entsprechende Verfassungsurkunde nicht entworfen werden können“. In diesen Ständen diene die Ritterschaft „als Stütze des Thrones, das grosse Bollwerk, welches ihn gegen das ungestüme Andrängen schützt“. Er wagt es nicht, sich unbedingt gegen Repräsentation der Bauern auszusprechen: „Indessen“, fügt er hinzu, „ist erwiesen, dass so lange als die Rittergutsbesitzer als natürliche Repräsentanten des Bauernstandes betrachtet wurden, dieser sich überall sehr gut befand“.

Gegenüber solchen diplomatischen Wortführern des Märkischen Junkerthums erscheint ein Major von Winterfeld von erquickender Aufrichtigkeit. Als Nachtrag zu einer Unterredung, die er in Freienwalde mit Klewiz gehabt hatte, richtete er am 27. October 1817 ein erregtes Schreiben an ihn. „Gleich auf die erste Frage“, begann dies, „ob eine Constitution nöthig erachtet werde, hätte ich noch hinzufügen sollen, sie sei nicht allein sehr nöthig, sondern man wundere sich, dass diese Frage erst aufgeworfen werde, nachdem die alte Constitution nicht bloss durchlöchert, sondern unter die Füsse getreten worden“. An dieser „alten Constitution“ hing sein Herz. „Wer kann das Unglück beschreiben, das aus der vernichteten[1] alten, durch keine neue ersetzten Verfassung geflossen ist?“ Mit Ingrimm, aber nicht ohne berechtigten Tadel der Schwankungen der Gesetzgebung, gedachte er „des Bauerneigenthums-Edictes vom 9. Januar 1810“ und des „unausführbaren Edictes vom 14. September 1811 mit seinen Nachträgen und Declarationen, das grösseres Unglück über den Preussischen Staat gebracht hat, als feindliche Verheerungen hätten thun können“[2]. „Mein kleines Dorf, wo Ruhe und Eintracht wohnten, wo Jeder wusste, was er zu thun und zu lassen hatte, und wo rechtliche Entscheidung und polizeilicher Zwang etwas Unerhörtes waren, ist seit diesem unglücklichen Edicte ein Wohnplatz der Zwietracht und Widersetzlichkeit geworden. Niemand thut oder leistet mehr, was er schuldig ist, ohne durch Zwang dazu angehalten zu werden, und Justiz und Polizei sind nicht im Stande, alle vor sie

  1. So statt „Vernichtung der alten Verfassung“.
  2. Vgl. Knapp a. a. O. I, 139; 161–184.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_078.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)