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Baron von Rothkirch-Trach, als Klewiz sein Gutachten einforderte: Ständische Repräsentation für alle Stände, – – Gesetzgebung und Comptabilität, Verantwortlichkeit der Minister; „was gemacht wird, sei gut und Muster für ganz Deutschland, damit es sich anschliesse, sonst möchte besser sein, nichts zu machen.“

Niemand aber stellte sich, Gegenwart und Zukunft überschauend, auf eine so hohe Warte wie der feurige Zerboni di Sposetti, der Oberpräsident der Provinz Posen. Er war noch ebenso hochherzig und freimüthig wie in seiner Jugend, da er als Südpreussischer Kriegs- und Domänenrath durch die Enthüllung schamloser Corruption zum Märtyrer geworden war[1]. Als Klewiz ihn aufsuchte, litt er an den Nachwehen einer Krankheit und konnte nur kurze Andeutungen über den Gegenstand der Enquête machen. Inzwischen wurden auch hier die gewünschten geschichtlichen Materialien, die Constitutionsacte vom 3. Mai 1791, das Napoleonische Statut für das Herzogthum Warschau vom 22. Juli 1807, die „Charte constitutionelle des Königreiches Polen vom 15./27. November 1815“, zu den Acten genommen. Entwürfe und Denkschriften, vornehmlich aus dem Kreise Polnischer Adliger reihten sich an. Wennschon der Gedanke an eine reichsständische Verfassung in ihnen keineswegs ganz verdunkelt war, so lag doch das Hauptgewicht auf dem Verlangen, einen sehr mächtigen Provinziallandtag „als Garantie der Nationalität“ eingerichtet zu sehen. Er sollte, nach Joseph von Morawski’s Meinung einen immerwährenden Ausschuss wählen, der dem Statthalter zur Seite zu treten hätte, desgleichen eine Erziehungscommission zur Verwaltung der Schulen, auch für die erstmalige Besetzung aller Stellen in Gericht, Verwaltung, Kirche, Schule ausschliesslich aus Einsassen des Herzogthums Vorschläge machen. Für Zerboni di Sposetti waren Sonderbestrebungen dieser Art ein Grund mehr auf baldige Einführung einer volksthümlichen reichsständischen Verfassung zu dringen. Zugleich aber hegte er die freudige Zuversicht, dass Preussen dadurch in

  1. Martin Philippson, Geschichte des Preussischen Staatswesens vom Tode Friedrich’s des Grossen bis zu den Freiheitskriegen. Leipzig 1882. II, 292 ff.; vgl. Wattenbach, Correspondenz zwischen Zerboni, Held und Nieter mit dem Herausgeber des Genius der Zeit (Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. 1870).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_090.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)