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Rache in die Hand gab. Uebersehen wir den grossen Antheil nicht, den die Verzweiflung, der Hohn eines übermüthigen Feindes an dieser Kraftäusserung hatte. Anders würden sich die Sachen gestaltet haben, hätte der Menschenverächter uns auch für etwas zählen lassen und es der Mühe werth gefunden, uns durch sanfte, versöhnende Formen zu seinen Zwecken zu leiten.

Unsere bedenkliche politische Lage verlangt Bürger, die mit ihrer ganzen Existenz dem Staate angehören, ausser ihm kein Heil für denkbar halten. Diese Bürger sind nur in einer Verfassung möglich, welche sie zu integrirenden, activen Theilen des Ganzen macht, ihnen die vollständigste Gewähr für ihr physisches und moralisches Eigenthum leistet. Schön sind die Empfindungen der Liebe, der treuen Anhänglichkeit, deren sich der Monarch bemächtiget, der, nur von seinem eigenen religiösen Geiste und edlem Herzen geleitet, der Nation alles Bürgerglück gewährt; aber, diese Gefühle reichen nicht allein aus, sie erlöschen mit dem Tode des Monarchen, und ein Nachfolger muss sie wieder von neuem erwerben.

Die Rolle, die uns in Europa wiederum zugefallen ist, basirt nicht auf unserer physischen Schwere. Wir existiren nur in der Idee und erlöschen mit ihr.

Die Augen eines ganzen Welttheiles sind neugierig auf uns gerichtet. Die Blicke von Deutschland hängen richtend an dem, was aus uns hervorgehen wird. Es ist kein Rausch einer entzündeten Phantasie, kein verrauchender Freiheitsschwindel, welcher die besseren Köpfe in Deutschland in Bewegung setzt und ihnen die Forderungen an die Fürsten dictirt: durch einen feierlichen, ihre gesammten Pflichten und Rechte umfassenden Vertrag alles Unbestimmte und Zweideutige aus den Verhältnissen mit ihren Unterthanen zu verbannen. Es sind nüchterne, fest und kräftig aus den grossen Weltbegebenheiten aufgefasste Resultate, die sich selbst schon das Volk anzueignen beginnt, die durch jede Gegenwirkung tiefer wurzeln, die nicht mehr zu vertilgen sind. Die Zeit ist gekommen! – ihr Geist ist nur zu beherrschen, indem man ihn in sich selbst aufnimmt. Ich sehe in der Ferne die Auflösung jeder Regierung, die mit ihm in die Schranken treten wird.

„Wir sind weise regiert, wir sind glücklich“ – weil wir dies sind, wollen wir durch feste Satzungen unser Glück auf unsere Nachkommen vererben. Nur in dem Herzen eines gottverehrenden Fürsten, der nichts Böses will, kann die Neigung zu Satzungen, welche Böses verhindern, hervorgehen. Unter Fürsten, gegen welche die Nationen solcher Satzungen bedürfen, werden sie ohne gewaltsame Umwälzungen nie erlangt werden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_092.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)